Militär bezahlt Lehrerfortbildungen
10. Februar 2010 - Berliner-Zeitung :
Bundeswehr wirbt an Schulen
Geschulte Jugendoffiziere haben bereits zahlreiche Oberschulen besucht Martin Klesmann
Die Bundeswehr wirbt verstärkt unter Berliner Schülern. Speziell ausgebildete Offiziere der Bundeswehr haben allein in den vergangenen drei Jahren fast ein Drittel aller Berliner Oberschulen besucht und dort im Schulunterricht Informationsveranstaltungen abgehalten. Diese vier rhetorisch geschulten Jugendoffiziere haben 98 Berliner Schulen besucht - davon allein 47 Gymnasien, 22 Berufsschulen, 16 Real- und 13 Hauptschulen, wie Bildungsstaatssekretärin Claudia Zinke (SPD) auf eine parlamentarische Anfrage des Linke-Politikers Steffen Zillich nun mitteilte. Insgesamt hätten allein im vergangenen Jahr 3 790 Schüler solche Veranstaltungen oder gar Bundeswehreinrichtungen besucht - das sind noch einmal gut 270 Schüler mehr als im Jahr 2008.
Oberstleutnant Klaus-Heinrich Ehlers, der für die Jugendoffiziere verantwortlich ist, bestreitet zwar, dass die Bundeswehr bereits in den Schulen selbst Nachwuchs rekrutiert. Er räumte aber ein, dass die Bundeswehr "einen enormen Bedarf an qualifiziertem Personal" habe. Das liege auch daran, dass sich die Aufgaben der Bundeswehr stark verändert haben, es nun Auslandseinsätze gebe. Spezielle Wehrdienstberatungsgespräche, die sich möglicherweise auch aus besagten Info-Veranstaltungen ergeben könnten, würden aber außerhalb der Schule stattfinden, so Ehlers. Laut Bildungsverwaltung hat es allerdings seit 2007 auch 100 Vorträge von Wehrdienstberatungsoffizieren an Schulen gegeben.
Zu den Info-Veranstaltungen mit den Jugendoffizieren laden die Schulleiter ein. Pit Rulff, Leiter des Oberstufenzentrums Druck- und Medientechnik in Reinickendorf, hat die Bundeswehroffiziere schon mehrfach in seiner Schule empfangen. "Dabei schildern die Soldaten meist im Fachbereich Sozialkunde die heutigen Aufgaben der Bundeswehr, oft kommt dabei das Thema auch auf die Ausbildung bei der Bundeswehr", sagt Rulff, selbst Kriegsdienstverweigerer. Einige Schüler würden sich für technische Details interessieren, andere wollten eine berufliche Perspektive. Prinzipiell habe er mit den Jugendoffizieren aber keine Probleme. Es sei gut, sagt er, wenn Schulen sich öffnen.
Laut Bildungsverwaltung sind die Schüler verpflichtet, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen, wenn sie im Rahmen des Unterrichts stattfinden. "Bei Schülern, die den Unterricht verlassen, werden diese Stunden als Fehlzeiten gewertet", heißt es. Das verstoße nicht gegen das Grundrecht der Gewissensfreiheit. Fehlstunden wurden etwa am Steglitzer Paulsen-Gymnasium eingetragen, als dort im November zwei Jugendoffiziere Informationen darboten und einzelne Schüler den Raum verließen. Die Veranstaltung der Leistungskurse Politik musste, da im Internet zu Protesten aufgerufen wurde, unter Polizeischutz stattfinden. Innerhalb der vergangen drei Jahre führte die Bundeswehr elf ihrer Veranstaltungen gemeinsam mit dem Bundesamt für Zivildienst durch. "Ich fände es gut, wenn die Schulen hier mehr Pluralität gewährleisten könnten", sagte Sebastian Schlüsselburg vom Linke-Landesvorstand. Auf das Neutralitätsgebot der staatlichen Schulen müsse geachtet werden. "Schule kann sich nicht einseitig nur der Bundeswehr öffnen", sagt Grünen-Bildungspolitiker Özcan Mutlu. Oberstleutnant Ehlers hält dagegen: "Sicherheit geht uns alle an."
Wenig bekannt ist, dass die Bundeswehr selbst Fortbildungen für Lehrer anbietet und bezahlt. Dabei handelt es sich auch um Reisen zu EU- und Nato-Einrichtungen. Daran nahmen seit 2007 insgesamt 247 Berliner Lehrkräfte teil. Anders als die CDU-geführten Länder NRW, Saarland und Baden-Württemberg hat Berlin bisher keinen Kooperationsvertrag mit der Bundeswehr unterzeichnet. Auch in Berlin hat die Bundeswehr 2009 eine solche Kooperation erbeten.
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Offiziere in den Schulen
Jugendoffiziere: In Berlin sind derzeit vier Jugendoffiziere auch im Rahmen des Schulunterrichts im Einsatz. Während der Ausbildung zum Offizier werden ihnen rhetorische und pädagogische Inhalte vermittelt. Hinzu kommt ein dreiwöchiger Grundlehrgang an der Akademie für Information und Kommunikation in Strausberg.
Beratungsoffiziere: Seit 2007 haben zudem so- genannte Wehrdienstberatungsoffiziere an insgesamt 100 Berliner Schulen Info-Vorträge über den Wehrdienst bei der Bundeswehr durchgeführt. Dies bestätigte die Bildungsverwaltung jüngst auf Anfrage des Grünen-Politikers Özcan Mutlu. Die Grünen in Steglitz-Zehlendorf unterstützten indes einen CDU-Antrag. Darin wird begrüßt, dass mehrere Schulen im Bezirk über die Bundeswehr als Berufsperspektive informieren.
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Foto: Beruf Soldat? Jugend- und Wehrdienstberatungsoffiziere der Bundeswehr weisen darauf in Berlin bereits Zehntklässler hin.