Erfolg für Kriegsgegner
Kooperationsvertrag zwischen Bundeswehr und Landesschulministerium in Mecklenburg-Vorpommern geplatzt
Von Michael Schulze von Glaßer *
Alles war perfekt vorbereitet: die Einladungen verschickt, Sekt und Schnittchen kalt gestellt und der Festsaal im Schweriner Schloß für die Veranstaltung gebucht. Nach kurzen Reden des Landesministers für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Henry Tesch (CDU), und des Konteradmirals Jens-Volker Kronisch, Befehlshaber des Wehrbereichskommandos I Küste der Bundeswehr, sollte am vergangenen Donnerstag ein Kooperationsvertrag zwischen beiden Institutionen unterzeichnet werden. Dadurch sollte Jugendoffizieren der Zugang zu Schulen erleichtert und das Militär in die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften einbezogen werden. Daraus wurde aber nach Intervention der Sozialdemokraten nichts.
In Mecklenburg-Vorpommern tobt ein handfester Streit in der SPD/CDU-Landesregierung: Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) soll erst aus den Medien über die geplante Vertragsunterzeichnung mit der Armee gehört haben und wirft Tesch einen Alleingang vor. In einer kurzfristig anberaumten Kabinettssitzung wies der Landeschef seinen Bildungsminister zurecht: »Es kann nicht sein, daß Soldaten in die Schulen geschickt werden, um einseitig für den Kriegseinsatz zu werben«, so Sellering. Zwar habe die SPD keine grundsätzlichen Einwände gegen ein Kooperationsabkommen mit der Bundeswehr, dies müsse aber garantieren, daß weiterhin ein kontroverser Unterricht stattfinde. Nun soll der Vertragstext geändert werden. Die CDU sieht die Verzögerung gelassen. Tesch rechnet für Mitte Juni mit der Unterzeichnung des noch auszuarbeitenden neuen Vertrags, die Bundeswehr peilt einen Termin Mitte Juli an. Allerdings: »Eine Kooperationsvereinbarung um jeden Preis strebt das Bundesverteidigungsministerium nicht an«, so ein Pressesprecher des Verteidigungsministeriums gegenüber NDR-Radio.
Konnte die erste dieser neuen Kooperationsvereinbarungen zwischen Armee und Landesschulministerien im Oktober 2008 in Nordrhein-Westfalen noch ungestört unterzeichnet werden, regt sich zunehmender Widerstand - nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern. Auch in Hessen müssen sich Schulministerium und Bundeswehr mit Kritikern der dort geplanten Vereinbarung auseinandersetzen: »Wir werden sehr genau beobachten, ob die Truppe objektiv informiert oder manipulativ die Gefahren eines Soldatenlebens kaschiert«, so El Manfalouty von der hessischen Landesschülervertretung. In der evangelischen Kirche gibt es ebenfalls starke Vorbehalte gegen die Militarisierung in Schulen. Wenn die Bundeswehr etwa Material für sicherheitspolitisch relevante Themen zur Verfügung stelle, widerspreche das dem Bildungsgrundsatz der Ausgewogenheit, sagte Wolfgang Buff, Zivildienstbeauftragter der hessen-nassauischen Kirche gegenüber der Frankfurter Rundschau. In Rheinland-Pfalz soll es mittlerweile Gespräche zwischen Friedensgruppen und der Landesregierung zur bereits im Februar abgeschlossenen Kooperationsvereinbarung zwischen Armee und dortigem Schulministerium geben - die Gruppen fordern die Aufkündigung des Vertrags oder zumindest einen kontroversen Unterricht. Dies würde bedeuten, daß in jeder Unterrichtsstunde, in der ein Jugendoffizier auftritt, auch ein Friedensaktivist anwesend sein müßte.
Doch auch ohne vertraglich vereinbarte Kooperation ist die deutsche Armee in allen Bundesländern in Schulen aktiv - und stößt auf Kritik. Ende Mai mußte die Schulleitung eines Gymnasiums in Berlin-Karlshorst einen Jugendoffizier nach Schülerprotesten wieder ausladen. In Dresden sorgte allein die Anwesenheit von Friedensaktivisten vor einem Gymnasium, in der eine Bundeswehr-Veranstaltung stattfand, für einen massiven Polizeieinsatz. Die Truppe wird sich auf weitere Proteste einstellen müssen, denn immer mehr Friedensgruppen, Schüler, Elternvertreter und Gewerkschafter beschäftigen sich mit dem Thema.
* Aus: junge Welt, 8. Juni 2010