In Berlin protestieren Eltern gegen Bundeswehr an Schulen. Ein Gespräch mit Bert Schilden
Interview: Frank Brendle
Bert Schilden hat Berliner Elternvertreter zur Gründung einer AG »Militärfreie Schule« eingeladen
Sie haben im Namen des Berliner Bezirkselternausschusses Friedrichshain-Kreuzberg zur Gründung einer Initiative gegen Einsätze der Bundeswehr an Schulen eingeladen. Was war der Anlaß dafür?
Die Bundeswehr baut ihre Präsenz an Schulen aus und versucht immer häufiger, Jugendliche vom Sinn weltweiter Militäreinsätze zu überzeugen. Das Militär schult Lehrer in Seminaren und stellt überarbeiteten Kollegen ganze Unterrichtseinheiten mundgerecht zubereitet zur Verfügung. Psychologisch und rhetorisch bestens geschulte Jugendoffiziere werden von Schulen zum Unterricht unserer Kinder eingeladen, und Wehrdienstberater machen ihnen eine angebliche Karriere beim Bund schmackhaft. An uns Eltern ging diese Form der politischen Bildung bislang vorbei. Wir haben davon erst durch die Aktionen am Berliner Schadow-Gymnasium erfahren, als Schüler gegen die Einladung eines Bundeswehrvertreters protestiert haben.
Welches Echo hat Ihre Einladung hervorgerufen?
Uns hat die Resonanz positiv überrascht. Es kamen ungefähr 30 Personen, darunter Eltern aus unterschiedlichen Bezirkselternausschüssen, aber ebenso interessierte Einzelpersonen. Auch Schüler, Studenten und Lehrer waren da, darunter solche, die schon organisiert sind, aber auch persönlich von Bundeswehreinsätzen Betroffene.
Waren sich alle einig, die Bundeswehr aus den Schulen rauszuhalten, oder gab es auch Befürworter der Bundeswehr?
Es wurden verschiedene Haltungen bei den Vertretern der Bezirkselternausschüsse deutlich. Einer forderte zum Beispiel die Garantie der Ausgewogenheit von Militär und Militärkritikern. Außerdem müßten reine Informationsveranstaltungen mit Jugendoffizieren und die Werbung für Ausbildungsplätze bei der Armee getrennt werden. Anderen Vertretern erschien dies als ein Akzeptieren der Tatsache, daß das Militär direkten Einfluß auf die Kinder und Jugendlichen an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen nimmt.
Was haben Sie grundsätzlich gegen die Präsenz der Bundeswehr an Schulen einzuwenden?
Hier kann ich nur als Einzelperson antworten, da sich unsere Initiative gerade erst gründet. Daß Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) angesichts der breiten Kriegsablehnung in der Bevölkerung fordert, Soldaten mit Einsatzerfahrung an den Schulen zu verwenden, spricht ja für sich: Weil zu viele Eltern gegen den Afghanistan-Krieg sind, sollen die Kinder durch die Präsenz von Militär an Schulen an die gegenwärtige und zukünftige Normalität des Krieges gewöhnt werden. Und an den Irrglauben, daß Konflikte mit Krieg gelöst werden könnten.
Ich halte das für skandalös. Das widerspricht den jahrelangen Bemühungen, die Schüler vom Sinn der konstruktiven Konfliktbearbeitung in Antigewalt-, Streitschlichter- und Mediations-AG zu überzeugen. Krieg bedeutet ja immer den Versuch, das Gegenüber unter seinen eigenen Willen zu zwingen.
Was fordern Sie konkret, und was planen Sie weiter?
Unser Bezirkselternausschuß fordert ein Informationsrecht für Eltern und eine Garantie der Ausgewogenheit, zu der die Schule rechtlich verpflichtet ist. Die Arbeitsgruppe »Schule muß militärfreier Raum bleiben« hat sich mit dem Ziel der landes- und bundesweiten Vernetzung gegründet. Durch Bündelung der Aktivitäten von Eltern, Lehrern Schülern und Studenten wollen wir den politischen Druck erhöhen, damit sich das Militär wieder aus den Schulen zurückzieht. Ein Ziel wird sein, das Thema in jeder Gesamtelternvertretung der Berliner Schulen zur Diskussion zu bringen.
Der langjährige Widerstand gegen das Bombodrom in der Kyritzer Heide hat gezeigt, daß die Politik auch wichtige militärische Vorhaben aufgeben muß, wenn die Bevölkerung sich wehrt. Die Beeinflussung unserer Kinder ist ein wichtiges politisches und militärisches Vorhaben. Doch das dürfen wir als Eltern nicht zulassen. Darum laden wir nächste Woche zu einem zweiten Treffen der Initiative ein.
Bezirkselternausschuss Friedrichshain-Kreuzberg fordert Informationsrecht für Eltern und Garantie der Ausgewogenheit
Wie die Berliner Presse seit Monaten berichtet, wirbt die Bundeswehr verstärkt unter Berliner Schülern – unseren Kindern. Speziell ausgebildete Offiziere der Bundeswehr haben in den vergangenen drei Jahren fast ein Drittel aller Berliner Oberschulen besucht und im Unterricht Informationsveranstaltungen abgehalten. Der Bezirkselternauschuss Friedrichshain-Kreuzberg fordert, dass Schulen zu Beginn des jeweiligen Schulhalbjahres uns Eltern über geplante Veranstaltungen mit dem Militär informieren.Diese Information steht uns Eltern zu und muss uns garantiert werden.
Eine Anfrage an die zuständige Schulaufsicht vom 31.01.2010, ob in Friedrichshain-Kreuzberg Bezirk derartige Veranstaltungen in der Vergangenheit durchgeführt wurden, blieb unbeantwortet.
Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom März dieses Jahres kommt zu dem Schluss, dass die Bundeswehr nach geltendem Recht grundsätzlich Informationsveranstaltungen an Schulen anbieten darf. Es wird aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die jeweilige Schule auf die Ausgewogenheit und Neutralität der Information zu achten hat. Laut Landesschülervertretung kommt es jedoch häufig zu einer Verwischung der Grenzen von Information und Rekrutierung.
In Zeiten von Jugendarbeitslosigkeit und Führungskräftemangel bei der Bundeswehr stellt sich diese in ihren Werbeschriften als „normaler (Ausbildungs-) Betrieb“ für bewaffnete Entwicklungshelfer dar und wirbt mit der Möglichkeit, bei ihr Freiheit und Abenteuer zu genießen. Wir befürchten, dass die Risiken und oft traumatischen Nebenwirkungen des „Soldatenberufs“ in den Werbeveranstaltungen zu kurz kommen – wenn militärkritische Stimmen fehlen. Weil für unsere Kinder Anwesenheitspflicht besteht, fordern wir eine Garantie, dass zu den Veranstaltungen der Bundeswehr friedenspolitische oder antimilitaristische Organisationen im Sinne der Ausgewogenheit hinzugezogen werden.
Die neuen Aufgaben des deutschen Militärs als Armee im (weltweiten) Einsatz und die Umdeutung des verfassungsmäßigen Verteidigungsbegriffs sind gesellschaftlich höchst umstritten. Wir verstehen das frühzeitige Werben der Bundeswehr als Werben um Akzeptanz für eine Militarisierung von Politik und Gesellschaft.
Mittlerweile existieren in vier Bundesländern Kooperationen zwischen Armee und Kultusministerien. Mit kostenlosen Lehrerfortbildungen, dem Erstellen von Unterrichtmaterialien und Videospielen versucht die Bundeswehr, die Einstellung der Jugendlichen zu beeinflussen. Leider mit erschreckendem Erfolg: Das Durchschnittsalter der Soldaten der bundesdeutschen „Armee im Einsatz“ liegt bei 19 Jahren.
Die Institutionalisierung der Zusammenarbeit von Militär und Schule macht uns Sorgen. Obwohl die geltende Rechtslage Militärveranstaltungen an Schulen zulässt, sprechen auch wir uns – wie der BEA und Bezirksschulbeirat Steglitz-Zehlendorf - für die Schule als militärfreien Raum aus. Um uns auch politisch Gehör zu verschaffen, laden wir zur
Gründung einer gemeinsamen „Initiative Militärfreie Schule“ von Eltern, SchülerInnen und LehrerInnen am Dienstag, den 18.05.2010 von 19.00 bis 21.00 Uhr ein
Ort ist die Mensa der Heinrich Zille Grundschule, Waldemarstr. 118, 10997 Berlin (Anfahrt: Bus 140, Bus 229, U-Bahn Görlitzer Bahnhof - bitte Eingang Manteuffelstr. benutzen).
Ankündigungen (siehe: Aufrufe und Einladungen)
Zur Zeit sind Soldaten der Bundeswehr in folgenden Ländern im Einsatz:
Kosovo, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Afghanistan, Usbekistan ,Sudan
Horn von Afrika (Djibouti) und vor den Küsten Libanons und Somalias
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Zahlreiche Werbetermine der Bundeswehr findet ihr unter: