Bundeswehr raus aus Schulen!
Appell an die Kultusministerkonferenz
Wir fordern Sie auf, Kooperationsverträge zwischen Schulministerien
und Bundeswehr für ungültig und Unterrichtung von Schulklassen in
und außerhalb von Schulen durch Angehörige der Bundeswehr, sog.
Jugendoffiziere, für unvereinbar mit dem Bildungsauftrag zu
erklären.
Begründung:
Die Öffnung des Schulunterrichts für Programme der Bundeswehr ist mit einer Erziehungzu Frieden und Völkerverständigung nicht vereinbar. Für die Schule gilt das Gebot der Neutralität. Sog. Jugendoffiziere, derzeit 394, werden an der Bundeswehr-Akademie für Information und Kommunikation (Nachfolge des Amt für psychologische Kriegführung) ausgebildet für die Fächer Politik, Sozialkunde und Ethik. Sie halten sich dabei an die Vorgaben des Verteidigungsministeriums, die aktuellen Kriegseinsätze zu rechtfertigen und sogar direkt Nachwuchs zu rekrutieren. Das widerspricht dem Bildungsauftrag, dessen Bedingungen von allen Ländern 1976 im Beutelsbacher Konsens festgelegt worden sind. Danach dürfen Schülerinnen und Schüler nicht von Meinungen und Thesen überrumpelt werden, die in der Gesellschaft umstritten sind.
Wie soll es zu einem humanistischen Bildungsideal passen, den Einsatz von Militär zur
Sicherung von Rohstoffen als legitim zu erachten?
Auch widerspricht es dem Geist der Kinderrechtskonvention der UNO, in der beschlossen ist, „dass das Kind umfassend auf ein individuelles Leben in der Gesellschaft vorbereitet und im Geist der in der Charta der Vereinten Nationen verkündeten Ideale und insbesondere im Geist des Friedens, der Würde, der Toleranz, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität erzogen werden sollte,….“
Jährlich wird die Anzahl der militärischen Unterrichtungen in Schulen und auf
Bundeswehrgelände gesteigert. In 2009 waren davon 290 000 Jugendliche betroffen.
Die seit 2008 schon in drei Bundesländern (Nordrhein-Westfalen, Saarland und Baden-
Württemberg) zwischen Schulministerien und Bundeswehr unterzeichneten
Kooperationsverträge enthalten detaillierte Organisationswege incl. in der
Lehrerfortbildung und der Dokumentation.
Auch eine gleichzeitige Kooperation mit „Friedensfachleuten“ lehnen wir ab, da diese
erstens vergleichbare Ausbildungsressourcen erhalten müssten, was illusorisch erscheint, und weil für die genannten Fächer einschließlich der Kontroversen um Krieg und Frieden die Lehrerschaft zuständig und ausgebildet ist.
Hierzu passen die widersprüchlichen Aussagen des Gutachtens zum Schulunterricht durch Jugendoffiziere, das der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages am 24. März 2010 vorgelegt hat (Zitate nach einem Bericht der junge Welt vom 24. März 2010) : Wegen derVerpflichtung zu Neutralität und Toleranz dürfe es eine gezielte Beeinflussung der Schüler nicht geben. Einsätze der Jugendoffiziere seien wohl möglich, aber eine einseitige Beeinflussung dürfe es nicht geben. Eine rechtswidrige Indoktrination könne die Schule vermeiden, „indem sie zu einer Veranstaltung auch einen militärkritischen Vertreter einlädt…..“. Die Anwesenheitspflicht der Schüler gelte aber auch dann, wenn der Vortrag des Offiziers tendenziös gerate. Diesen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht müsse die Schule nachträglich „heilen“. Solche Gummiaussagen lehnen wir ab.
Wir fühlen uns Kurt Tucholsky verpflichtet, der schrieb:
„Man hat ja noch niemals versucht, den Krieg ernsthaft zu bekämpfen. Man hat ja noch
niemals alle Schulen und alle Kirchen, alle Kinos und alle Zeitungen für die Propaganda
des Krieges gesperrt. Man weiß also gar nicht, wie eine Generation aussähe, die in der
Luft eines gesunden und kampfesfreudigen, aber kriegsablehnenden Pazifismus
aufgewachsen ist. Das weiß man nicht. Man kennt nur staatlich verhetzte Jugend.“
Verabschiedet am 24. April 2010 in Herford
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung,
Körtestr. 10, 10967 Berlin,
ippnw@ippnw.de, www.ippnw.de