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www.spiegel.de  - 05.07.2011


Deutscher Panzer-Deal mit Saudis

Die Waffenschmiede der Welt

Von Markus Becker, Benjamin Bidder, Matthias Gebauer und Annett Meiritz

Foto: DPA

Deutsche Rüstungsgeschäfte sind umstrittener denn je: Ob Lieferungen nach Ägypten, Libyen oder jetzt nach Saudi-Arabien - die Milliarden-Deals mit zweifelhaften Regimen rücken Deutschland ins Zwielicht. Die wichtigsten Fakten zum Handel mit Kriegsgerät made in Germany.

Berlin - Von außen betrachtet wirkt heimische Sicherheits- und Rüstungspolitik chronisch undurchsichtig: Deutschland will erstmals schwere Kampfpanzer vom Typ "Leopard" nach Saudi-Arabien schicken , der deutschen Rüstungsindustrie winkt ein Milliardengeschäft - und die Bundesregierung schweigt beharrlich zu dem geplanten Deal.

Das Panzergeschäft mit dem Golfstaat ist vor dem Hintergrund der Aufstände in der arabischen Welt brisant...

6. Teil: Welche deutschen Waffengeschäfte gelten als brisant?

Deutsche Rüstungskonzerne liefern zwar vornehmlich nach Europa, doch gut ein Zehntel der Exporte geht in politisch instabile Regionen, nach Afrika und in den Nahen Osten. Seit dem Ausbruch der arabischen Aufstände ist die Rolle Deutschlands auf dem weltweiten Rüstungsmarkt wieder in den Fokus gerückt: Besonders Lieferungen an das Regime des ägyptischen Diktators Husni Mubarak stehen in der Kritik, aber auch an Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi.

Der Fall Libyen zeigt eine schleichende Aufweichung früherer Handelsbeschränkungen: Bis Oktober 2004 galt ein EU-Waffenembargo gegen Libyen. Im Jahr darauf lieferten deutsche Firmen dem SPIEGEL zufolge bereits für 300.000 Euro Geländewagen. 2006 waren es fast zwei Millionen für militärisches Gerät, 2007 bereits knapp 24 Millionen, 2008 nur vier Millionen, aber 2009 dann über 53 Millionen Euro. Gaddafi bekam von Deutschland moderne Abschussanlagen für Panzerabwehrraketen, Hubschrauber, Kommunikationstechnik, Radartechnologie fürs Gefechtsfeld und Störsender.

Wie am Samstag bekannt wurde, ist Deutschland auch bereit, moderne "Leopard"-Kampfpanzer an Saudi-Arabien zu liefern. Damit ändert die Bundesregierung ihre jahrzehntealte Linie, das autoritär geführte Königreich nicht mit schweren Waffen zu versorgen: "Leos" aus deutschen Waffenschmieden stehen schon seit 30 Jahren auf der Wunschliste des saudischen Militärs. Bisher lehnte die Bundesregierung die Lieferung solch schwerer Waffen an Riad ab.

Jetzt versucht Berlin offenbar eine Kehrtwende: Laut SPIEGEL billigte der Bundessicherheitsrat den Export moderner "Leopard"-Kampfpanzer vergangene Woche grundsätzlich. Der deutschen Rüstungsindustrie winkt damit ein Milliardengeschäft.

Die Saudis haben demnach Interesse an mehr als 200 Panzern auf Basis der modernsten "Leopard"-Variante, dem Typ 2A7+. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen hat Saudi-Arabien im Zuge des aktuellen Deals bereits 44 "Leopard"-Panzer aus Deutschland gekauft, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

Die Kampfpanzer gehören zu den erfolgreichsten Exportschlagern der deutschen Rüstungsindustrie. Am Bau des "Leopard" sind neben Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall zahlreiche deutsche Zulieferunternehmen beteiligt. Das Auftragsvolumen dürfte sich nach Einschätzung von Commerzbank-Analysten auf rund 1,7 Milliarden Euro belaufen.

Außer den umstrittenen Panzerlieferungen für Saudi-Arabien will Deutschland dem "Handelsblatt" zufolge zum Beispiel auch mit Algerien milliardenschwere Rüstungsgeschäfte abwickeln. Der Deal habe einen Umfang von zehn Milliarden Euro, verteilt auf zehn Jahre, schreibt die Zeitung. Die Konzerne Rheinmetall und MAN wollen demnach den Transportpanzer "Fuchs" in Algerien bauen.


Milliardengeschäft

Leopard-II-Panzer ist deutscher Exportschlager

Der mögliche Export von Leopard-II-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien wird zum Thema für den Bundestag. Die Branche beschäftigt 80.000 Mitarbeiter in Deutschland. Die Rüstungsausgaben auf der Welt steigen.

Von Carsten Knop

05. Juli 2011
 

-www.faz.net


Offiziell gibt es noch keine Bestätigung für das Milliardengeschäft. Der mögliche Export von Leopard-II-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien wird aber zum Thema für den Bundestag - und er wirft ein Schlaglicht auf die Tatsache, dass es in Deutschland tatsächlich noch eine nennenswerte Rüstungsindustrie gibt. Die Unternehmen heißen, in der Reihenfolge ihrer Rüstungsumsätze EADS, Carl Zeiss, Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann, Rohde & Schwarz, Thyssen-Krupp oder Diehl. Doch schon Tognum erreicht mit seinen Rüstungsgeschäften keinen Umsatz oberhalb von 300 Millionen Euro mehr. Und auch die Branchenführer können sich mit Anbietern wie zum Beispiel General Dynamics aus Amerika oder BAE Systems aus Großbritannien nicht annähernd messen.

Gleichwohl arbeiten in Deutschland immerhin rund 80 000 Menschen für die Rüstungsindustrie. Und zumindest nach den Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri ist Deutschland binnen eines Jahrzehnts vom fünften auf den dritten Platz im internationalen Rüstungshandel vorgerückt; der deutsche Export habe sich in dieser Zeitspanne verdoppelt, heißt es. Wichtige Abnehmerstaaten seien Griechenland (wo die Rechnungen allerdings nicht immer bezahlt werden), Südkorea und Portugal gewesen.
 

In den westlichen Ländern steht die Rüstungsindustrie in Zeiten hoher Staatsschulden eigentlich unter einem Konsolidierungsdruck, der im Ausland nur durch einen meist erheblichen Staatseinfluss auf die jeweiligen Unternehmen gemildert wird. Zugleich gewinnen aber Schwellenländer wie Indien und Brasilien sowie die arabischen Länder - also auch Saudi-Arabien - an Bedeutung und gleichen manchen Rückschlag in den Nato-Staaten aus. Darauf reagiert die Industrie: In Algerien baut Rheinmetall ein Werk für gepanzerte Fahrzeuge, Konkurrent Krauss-Maffei ist in Saudi-Arabien präsent.

Denn insgesamt, und das ist letztlich entscheidend, steigen auf der Welt die Rüstungsausgaben: Rund 1,5 Billionen Dollar haben alle Staaten im Jahr 2009 zusammen für ihr Militär ausgegeben. Damit sind die Militärausgaben nach Angaben von Sipri innerhalb von zehn Jahren um fast 50 Prozent gestiegen. Nahezu 3 Prozent der Wirtschaftsleistung der Welt sind direkt auf Investitionen ins Militär zurückzuführen.

Allein im Jahr 2009 wurden aus Deutschland Rüstungsgüter im Wert von rund 5 Milliarden Euro exportiert. Das geht aus dem Rüstungsexportbericht der Bundesregierung hervor. Wichtigste Bestimmungsländer in jenem Jahr waren neben die Vereinigten Staaten die Vereinigten Arabischen Emirate und Großbritannien. Der Exportschlager Leopard wurde an Brasilien, Chile, Finnland, Griechenland, Singapur und die Türkei geliefert.

Mit Blick auf eben jenen Leopard-II-Kampfpanzer, um den es auch in der aktuellen Diskussion geht, hat sich die deutsche Rüstungsindustrie Ende vergangenen Jahres neu aufgestellt. Damals hat Siemens seine Beteiligung von 49 Prozent am Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann (KMW) an die Wegmann-Gruppe in Kassel verkauft. Für einen Kaufpreis im mittleren dreistelligen Millionenbereich hat Wegmann dadurch die vollständige Kontrolle über den Münchener Panzerhersteller übernommen. Zuvor war über viele Jahre hinweg über eine Fusion mit dem Düsseldorfer Unternehmen Rheinmetall spekuliert worden, das die Kanone für den Leopard liefert und auch selbst Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, Munition und Rüstungselektronik anbietet. Eine Besonderheit der Leopard-Fertigung ist, dass der Panzer nicht nur in Deutschland, sondern mit einer KMW-Lizenz seit 2001 auch in Spanien gebaut wird.

Text: F.A.Z.
Bildmaterial: dpa



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Deutsche Arabienpolitik

Jasminduft und Realpolitik

Berlin 05. Juli 2011 . Guido Westerwelle wollte im arabischen Frühling an der Seite der Demokraten stehen. Waffenexporte nach Benghasi lehnte er ab. Nun muss sich der Außenminister Berichten über ein Panzergeschäft mit Riad stellen.

Von Majid Sattar,

Die Revolution als Kulisse: Guido Westerwelle mit dem tunesischen Außenminister Mohamed Mouldi Kefi am Montag in BerlinDie Revolution als Kulisse: Guido Westerwelle mit dem tunesischen Außenminister Mohamed Mouldi Kefi am Montag in Berlin

Guido Westerwelle weist gerne darauf hin, dass die deutsche Außenpolitik werteorientiert und interessengeleitet ist. Selten wurde die Dialektik seines realpolitischen Idealismus so greifbar wie am Montagnachmittag im Auswärtigen Amt.

Nach einem Gespräch mit dem tunesischen Außenminister Mohammed Kefi führt Westerwelle seinen Gast durch eine Fotoausstellung im Lichthof am Werderschen Markt. Die Ausstellung „Dégage“ („Hau ab“) zeigt Fotografien aus den Tagen der Jasmin-Revolution. Westerwelle erinnert an seinen Besuch in Tunis nach der Flucht des Diktators Ben Ali und sagt, auch Deutschland habe vor über 20 Jahren das Glück gehabt, eine Diktatur abzuschütteln.



Außenminister Westerwelle im April auf einem Basar in Kairo mit Einheimischen
Außenminister Westerwelle im April auf einem Basar in Kairo mit Einheimischen

Deshalb empfinde es eine besondere Solidarität mit den Völkern in der europäischen Nachbarschaft, die jetzt ihrerseits Diktaturen überwänden. Wenige Minuten später wird er auf einer Pressekonferenz nach einem angeblichem Panzergeschäft mit Saudi-Arabien gefragt. Westerwelle blickt auf seinen Sprechzettel und sagt, Sitzungen des Bundessicherheitsrates seien grundsätzlich geheim. „Gehen Sie aber davon aus, dass die Beratungen sehr verantwortungsvoll geführt werden und das alle Gesichtspunkte bei Entscheidungen im Bundessicherheitsrat berücksichtigt werden.“

„Wir wollen stabile Demokratien und demokratische Stabilität“

So nah liegen rhetorischer Überschwang und diskrete Interessenpolitik mitunter beieinander. Der SPD-Außenpolitiker Gernot Erler erinnerte am Dienstag in mehreren Interviews daran, dass Westerwelle sich noch vor wenigen Monaten auf dem Tahrir-Platz in Kairo habe feiern lassen und fügt an, die „wortgewaltige Unterstützung“ für die Demokratiebewegungen im arabischen Raum würden damit als reines Lippenbekenntnis entlarvt.

In einer Regierungserklärung im Frühjahr zu den arabischen Umbrüchen hatte Westerwelle gesagt: „Nicht eine autokratische Regierung macht ein Land stabil, sondern eine stabile Gesellschaft ist die Voraussetzung für die Stabilität eines Landes. Wir wollen stabile Demokratien und demokratische Stabilität.“ Deutschland stehe an der Seite der Demokraten.

Nun hat das Auswärtigen Amt alle Mühe zu erklären, wie Deutschland es mitSaudi-Arabien hält. Westerwelles Sprecher balanciert wackelig zwischen Realismus und Idealismus. Stets verbunden mit dem Hinweis, Angelegenheiten des Bundessicherheitsrates seien geheim, und unabhängig von Berichten über ein Panzergeschäft mit den Saudis sagte er: Die Haltung des Ministers zur Menschenrechtslage in Saudi-Arabien sei klar, auch habe er deutlich gemacht, dass es im Nachbarland Bahrein eine innenpolitische Lösung geben müsse. Jedoch habe Riad in der Jemen-Krise zu vermitteln versucht und schließlich sei es kein Geheimnis, „dass eine mögliche atomare Bewaffnung des Iran ähnliche Wünsche auch in anderen Staaten der Region begünstigen könnte“. Auf Nachfrage bestätigte er, dass Riad ein „strategischer Partner“ in der Sicherheitspolitik sei. Regierungssprecher Steffen Seibert fügte noch hinzu: Deutschland handle nicht gegen die Interessen Israels - und eine „stabile Entwicklung“ des postrevolutionären Ägyptens sei ein Anliegen Berlins.

Außenpolitik ist immer auch Außenhandelspolitik

Fügt man diese Fragmente zusammen, lässt sich ein fiktives Mosaik konstruieren - nicht in Schwarz-Weiß, sondern in grauen Schattierungen: Deutschland könnte seine Partner Amerika und Israel konsultiert und keine Einwände vernommen haben. Zwar könnte Berlin die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien und das Vorgehen saudischer Sicherheitskräfte in Bahrein kritisch bewerten, unter dem Strich aber könnte das Interesse an Stabilität in der Region überwiegen.

Arabischer Frühling in Berlin: Außenminister Westerwelle vor einem Foto der Revolution aus Tunesien.Arabischer Frühling in Berlin: Außenminister Westerwelle vor einem Foto der Revolution aus Tunesien.

In diesem Kontext könnte Berlin die Bemühungen Riads anerkennen, den Bürgerkrieg im Jemen durch die Aufnahme des verletzten Präsidenten Salih zu beenden. Auch könnte vor dem Hintergrund des ägyptischen Machtvakuums die Rolle Saudi-Arabiens als Stabilisator in der Region und Gegenmacht Irans als wichtig erachtet werden. Hinzu kommen könnte eine weitere Erwägung: Außenpolitik ist immer auch Außenhandelspolitik. Schlösse Berlin das Geschäft nicht ab, stünden andere bereit.

Das Mosaik ist, wie gesagt, ein fiktives, denn die Sitzungen des Bundessicherheitsrates sind geheim. Waffenlieferungen an die libyschen Rebellen lehnte Westerwelle übrigens ab, da es keine militärische, sondern nur eine politische Lösung für das Land gebe. An diesem Mittwoch befasst sich der Bundestag mit den Rüstungsgeschäften der Bundesregierung.

Text: F.A.Z.
Bildmaterial: dapd, dp



10.05.201 - www.spiegel.de  :

Waffenexporte

Deutschland rüstet die Welt auf

Von Sebastian Fischer

Rüstung: Deutsche Exportschlager
Fotos
REUTERS

Maschinenpistolen, Panzer, Kampfjets: Rund um den Globus reißen sich Armeen um Waffen made in Germany. Deutschland ist mittlerweile zum drittgrößten Rüstungsexporteur der Welt aufgestiegen. Firmen wie Krauss-Maffei Wegmann und Heckler & Koch machen das große Geld - mit Hilfe der Bundesregierung...

Berlin - Sie heißen "Leopard", Typ 214 oder MP5. Es sind die Exportschlager der deutschen Rüstungsindustrie: Panzer, U-Boote und Maschinenpistolen, alles made in Germany. Firmen wie Krauss-Maffei Wegmann, ThyssenKrupp Marine Systems oder Heckler & Koch machen das große Geld mit Waffen für die Welt - und die Bundesregierung unterstützt sie kräftig dabei:

 

  • Zum Beispiel Indien. 126 Kampfjets will das kräftig aufrüstende Land kaufen. Es geht um elf Milliarden Euro, potentielle Verkäufer stehen Schlange. Erst im vergangenen Herbst waren Außenminister Guido Westerwelle und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (beide FDP) vor Ort und warben für den "Eurofighter". Im Februar stattete auch der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) Indien einen entsprechenden Besuch ab.
  • Zum Beispiel Griechenland. Das hochverschuldete Euro-Land greift besonders gern auf Waffen made in Germany zurück, egal ob topmoderne U-Boote der Klasse 214 oder "Leopard"-Kampfpanzer. Schon seit einigen Jahren trägt man sich in Athen mit dem Gedanken, "Eurofighter" zu bestellen. Die Deutschen würden gern liefern. Und so bot Außenminister Westerwelle bei seinem Griechenland-Besuch im Februar 2010 eine skurrile Vorstellung: Einerseits mahnte er die griechischen Freunde zur Eindämmung ihres Haushaltsdefizits; andererseits warb er für den deutschen Kampfjet.


In Deutschland arbeiten rund 80.000 Menschen für die Rüstung. Die Rechnung ist einfach: Brummt der Export, sind die Arbeitsplätze gesichert. Aufs Ausland kommt es an. Denn die Bundeswehr taugt nicht mehr als alleiniger Abnehmer, Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) muss bis zum Jahr 2015 insgesamt rund acht Milliarden Euro in seinem Etat einsparen. Für sogenannte "Goldrandlösungen" - speziell für die deutsche Armee entwickelte und angefertigte Produkte - ist da kein Spielraum mehr. Mehr noch: Auch die Bundeswehr selbst mischt immer mehr im internationalen Waffengeschäft mit, verkauft etwa Panzer aus Altbeständen.
 

Schon im letzten Winter gingen im bayerischen Manching 2000 Beschäftigte der EADS-Rüstungssparte Cassidian ("Eurofighter") auf die Straße, um gegen die geplanten Kürzungen im Wehretat zu protestieren. Die IG Metall warnte vor dem Verlust Tausender Jobs. Ansonsten ruft die Gewerkschaft natürlich prominent zu den Ostermärschen auf: "Frieden schaffen ohne Waffen" und "Abrüstung jetzt!", hieß es etwa in diesem Jahr beim DGB.

Deutschland rüstet sich nach vorn

Politik paradox - auch auf höchster Ebene. Die rot-grüne Bundesregierung verordnete sich im Januar 2000 neue "politische Grundsätze" für den Waffenexport. Darin steht gleich im ersten Satz das plakative Bekenntnis, man wolle die "Rüstungsexportpolitik restriktiv" gestalten. Der Chef einer deutschen Waffenschmiede klagte kürzlich mit neidvollem Blick auf die offiziell exportfreudigen Franzosen: "Wir sind die Schmuddelkinder und die die Helden."

 

SPIEGEL ONLINE



Wirklich? Die Wirkung der angeblich restriktiven politischen Grundsätze zeigt eher das Gegenteil:

 

  • Elf Jahre nach Verabschiedung der Richtlinien ist Deutschland nach Recherchen des anerkannten Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri vom fünften auf den dritten Platz im internationalen Rüstungshandel vorgerückt.
  • Innerhalb der vergangenen zehn Jahre hat sich der deutsche Export verdoppelt.
  • Der Weltmarktanteil der Deutschen stieg für den Zeitraum 2006 bis 2010 auf rund elf Prozent - darunter viele Rüstungsgeschäfte, die noch von der rot-grünen Bundesregierung durchgewunken wurden. Nur noch Amerikaner (30 Prozent) und Russen (23 Prozent) exportieren mehr.

Im Grundgesetz heißt es zwar: Zur Kriegsführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz." Deutschland hat sich ein Kriegswaffenkontrollgesetz gegeben. Im Normalfall entscheidet das Wirtschaftsministerium über den Export, in strittigen Fragen der Bundessicherheitsrat - ein hochrangiges Gremium, dem unter anderem die Kanzlerin, der Verteidigungs- und Außenminister angehören. Einmal im Jahr gibt es den Rüstungsexportbericht.

Doch die vermeintlich strengen Regelungen gebieten der Aufrüstung der Welt durch Deutschland keinen Einhalt. Der Bundestag darf bei Rüstungsexporten gar nicht erst mitreden. Wichtigste Abnehmer für deutsche Rüstung waren in den Jahren 2006 bis 2010 laut Sipri:

 

  • Griechenland (mit einem Anteil von 15 Prozent),
  • Südafrika (elf Prozent),
  • Türkei (zehn Prozent),
  • Südkorea (neun Prozent),
  • und Malaysia (sieben Prozent).

Für 2009 weist der deutsche Rüstungsexportbericht Ausfuhrgenehmigungen im Wert von insgesamt rund sieben Milliarden Euro aus; im Vorjahr waren es 1,3 Milliarden mehr. Der Anteil der Kriegswaffen wie Panzer oder U-Boote darunter wird auf 1,33 Milliarden Euro für 2009 beziffert. Der Restbetrag verteilt sich auf unzählige Produkte. Manche von ihnen erscheinen auf den ersten Blick nicht als Waffen: einzelne Komponenten wie Wärmebild- oder Navigationsgeräte.

Die Bundesregierung verortet gut die Hälfte der Exportgenehmigungen auf Nato- und EU-Staaten, bedeutendste Drittstaaten sind neben Südafrika die Vereinigten Arabischen Emirate, Brunei, Südkorea, Saudi-Arabien, Singapur und das derzeit massiv aufrüstende Brasilien.

Wie Deutschland den Diktator Gaddafi ausstattete

Die schwarz-gelbe Regierung wollte sogar noch einen Schritt weitergehen. So hatte sie es sich jedenfalls vorgenommen. Im Koalitionsvertrag ist von "verantwortungsbewusster Genehmigungspolitik" die Rede, angestrebt werde die "Harmonisierung mit der Genehmigungspolitik der anderen EU-Staaten auf hohem Niveau". Heißt im Klartext: Weil die Bundeswehr nicht mehr wie in früheren Zeiten einkaufen kann, muss der Export angekurbelt werden. Es ist auch das Argument der Gewerkschaften.

 


Und natürlich das der Unternehmer. "Die deutsche wehrtechnische Industrie ist auf eine substantielle Exportunterstützung angewiesen", erklärte der Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) im November 2010. "Ohne die Unterstützung der Politik kommen wir bei keinem unserer Projekte in Zukunft weiter", so Cassidian-Chef Stefan Zoller.

Zuletzt aber kamen kritischere Signale aus der Regierung. "Ich möchte nicht die Hoffnung nähren, dass die Bundesregierung die Exportlinien für Rüstungsgüter ausweiten wird", erklärte Verteidigungsstaatssekretär Thomas Kossendey (CDU) laut "Handelsblatt" Ende März.

Ein Meinungsumschwung? Unklar.

Bisher jedenfalls hat die Politik die Unternehmen gefördert, wo es nur ging. Ein Beispiel: Im Jahr 2009 wurden nach Recherchen der "Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung" (GKKE) staatliche Ausfallbürgschaften für deutsche Rüstungstransfers in Höhe von rund 1,92 Milliarden Euro gewährt, im Jahr 2008 waren es lediglich 21 Millionen Euro - sogenannte Hermes-Kredite. Pikant: Sie deckten auch Deals mit Libyen ab.

Bis Oktober 2004 galt ein EU-Waffenembargo gegen Libyen. Im Jahr darauf lieferten deutsche Firmen für 300.000 Euro Geländewagen, 2006 waren es schon fast zwei Millionen für militärisches Gerät, 2007 bereits knapp 24 Millionen, 2008 nur vier Millionen, aber 2009 dann mehr als 53 Millionen Euro. Unter anderem bekam Gaddafi wohl moderne Abschussanlagen für Panzerabwehrraketen vom Typ Milan 3, Kommunikationstechnik, Radartechnologie fürs Gefechtsfeld und Störsender.

Produkte, die dem Diktator jetzt im Kampf gegen die Rebellen nützlich sein könnten.


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tagesschau.de 
Stand: 19.11.2010 14:11 Uhr

Deutsche Rüstungsindustrie macht kräftig Kasse

Griechenland steckt tief in der Kreide, dennoch gibt das Land für Verteidigung überdurchschnittlich viel Geld aus. Vor allem die deutsche Rüstungsindustrie verdient daran - und zwar gleich zweimal. Denn bislang lieferten sich Griechenland und die benachbarte Türkei einen Rüstungswettlauf. Die Finanzkrise bremst diese Entwicklung etwas, was den deutschen Lieferanten nicht gefallen dürfte.

Von Steffen Wurzel, ARD-Hörfunkstudio Istanbul

Griechenland hat elf Millionen Einwohner und eine Armee von mehr als 130.000 Soldaten. Damit leistet sich das Land, umgerechnet auf seine Einwohner, die größte Armee Europas. Zum Vergleich: Die Bundeswehr hätte beim selben Soldaten-pro-Einwohner-Verhältnis eine Stärke von einer Million Soldaten - derzeit sind es weniger als 250.000.

Nach Angaben der NATO hat Griechenland zuletzt 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung und Verteidigung ausgegeben. Der NATO-Durchschnitt beträgt 1,7 Prozent. Einer der Haupt-Nutznießer des üppigen griechischen Militärbudgets ist die deutsche Waffenindustrie. Vor allem deutsche Leopard-Kampfpanzer und die neueste U-Boot-Generation der Kieler HDW-Werften sind in Griechenland gefragt. Kostenpunkt der U-Boote: Mehrere Hundert Millionen Euro pro Stück.

Dossier

Dosssier Griechenland
Weitere Meldungen Griechenland in der Krise Warum steckt das Land so tief in der Schuldenfalle - und wie soll es wieder herauskommen? [mehr]

Wachsender Protest gegen hohe Militärausgaben

Doch vor allem wegen des weiter wachsenden Spardrucks regt sich in Griechenland immer mehr Protest gegen die enormen Militärausgaben. So sagt Ilias Iliopoulos, Generalsekretär der Beamtengewerkschaft ADEDY: "Wir kaufen U-Boote, die nutzlos sind, die brauchen wir nicht! Wir müssen keinen Krieg führen. Kriegsszenarien sind eine Erfindung. Den Schutz der europäischen Außengrenzen sollte die EU übernehmen!"

Trotz aller Kritik: Vor wenigen Tagen wurde in Kiel das erste der bestellten deutschen Hightech-U-Boote an die griechische Marine übergeben. Drei weitere deutsche Unterseeboote für Griechenlands Marine sind bereits bestellt, sie sollen in einer Werft in der Nähe von Athen gebaut werden.

Deutsche Konzerne verdienten bislang zweimal

Rüstungsexporte (Foto: dpa) Großansicht des Bildes Ein in Deutschland hergestellter Panzer vom Typ Leopard der türkischen Armee während einer Militärparade. Als Grund für die hohen Verteidigungsausgaben Griechenlands wird immer wieder das Nachbarland Türkei genannt. Es ist zwar nicht mehr zeitgemäß, doch der Rüstungswettlauf zwischen den beiden ehemaligen Rivalen hält nach wie vor an. Besonders bemerkenswert: Die deutsche Waffenindustrie verdient nicht nur auf griechischer, sondern auch auf türkischer Seite dieses Rüstungswettlaufs kräftig mit.

Kauft ihr vier U-Boote bei den Deutschen, dann machen wir das auch! Und wir nehmen gleich sechs Exemplare! Nach diesem Motto bestellte die türkische Marine Mitte 2008 ebenfalls U-Boote in Kiel. Der Auftragswert liegt bei etwa zweieinhalb Milliarden Euro.

Krise bremst Rüstungswettlauf

Doch die weltweite Finanzkrise hat auch vorm türkisch-griechischen Rüstungswettlauf nicht Halt gemacht. Mitte dieses Jahres vereinbarten die türkische und die griechische Regierung potentielle Kooperationsprojekte. Zur Sprache kam auch das Thema Abrüstung. Die Schuldenkrise macht's möglich - auch wenn das der deutschen Waffenlobby gar nicht gefallen dürfte -, die Türkei und Griechenland wollen künftig weniger Geld als bisher für Waffen ausgeben.

Griechenlands Außenminister Dimitris Droutsas erklärt: "Es ist bekannt, dass das Ziel unserer Außenpolitik von Anfang an gegenüber der Türkei die Minderung der Rüstungsausgaben war. Es sind sehr viele Voraussetzungen, die hier erfüllt werden müssen, damit wir von der Erfüllung dieses Zieles sprechen können."


Kungelei zwischen Politik und Rüstungslobby

Was der perfekt deutsch sprechende griechische Außenminister andeutet: Es dürfte noch viele Jahre dauern, bis sich die Rüstungsausgaben seines Landes auf ein durchschnittliches NATO-Niveau eingependelt haben. Den Kritikern der griechischen Rüstungspolitik gehen die derzeitigen Sparmaßnahmen des griechischen Militärs nicht weit genug. Ilias Iliopoulos von der Beamtengewerkschaft ADEDY sagt dazu: "Es kann doch nicht sein, dass man uns Eurofighter, U-Boote, Kampfhubschrauber und Munition aufzwingt, und am Ende schmeißen wir das Zeug sowieso weg! Das sind doch erpresserische Methoden. Das ist eine einzige Kungelei zwischen Politik und Rüstungslobby. Das richtet den Reichtum Europas zu Grunde."


 
Ankündigungen (siehe: Aufrufe und Einladungen)  
  Zur Zeit sind Soldaten der Bundeswehr in folgenden Ländern im Einsatz:

Kosovo, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Afghanistan, Usbekistan ,Sudan
Horn von Afrika (Djibouti) und vor den Küsten Libanons und Somalias

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Zahlreiche Werbetermine der Bundeswehr findet ihr unter:

www.kehrt-marsch.de

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