Beschwerde eines Soldaten
Entwürdigende Rituale bei den Gebirgsjägern?
: Ein Soldat erhebt schwere Vorwürfe gegen die Gebirgsjäger.
Die Bundeswehr ist mit neuen Vorwürfen zum Fehlverhalten von Soldaten konfrontiert. Der Wehrbeauftragte des Bundestages bestätigte dem ARD-Hauptstadtstudio, dass ein Soldat sich bei ihm über entwürdigende Mutproben und Aufnahmerituale bei den Gebirgsjägern in Mittenwald beschwert habe. Um in der internen Hierarchie aufzusteigen, mussten Betroffene laut den Vorwürfen bis zum Erbrechen Alkohol trinken und rohe Schweineleber essen. Laut Medienberichten mussten sich Soldaten im Vorfeld von Kletterübungen zudem vor den Kameraden vollständig ausziegen. Weitere Zeugen sollen nun befragt werden.
Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg kündigte eine Prüfung der Vorwürfe an. "Sauber aufklären, abstellen und entsprechende Konsequenzen ziehen" sei das Gebot der Stunde, sagte er der ARD.
"Angelegenheit größerer Dimension"
Robbe informierte den Verteidigungsausschuss des Bundestags in einem Brief. Darin bezeichnete er die Rituale als teilweise "erniedrigend und herabwüdigend". Gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" machte er deutlich, dass es sich nach seinen Erkenntnissen um eine "Angelegenheit von offenbar größerer Dimension" handle.
Nach Angaben der Nachrichtenagentur DAPD ging die Beschwerde Ende Januar bei Robbe ein. Den Vorwürfen zufolge existiert bei den Gebirgsjägern des Bataillons 233 unter den Mannschaftsdienstgraden schon seit den 1980er-Jahren eine interne Hierarchie, genannt "der Hochzugkult". In diesem sei man zunächst drei Monate "Fux" und müsse für die "Cheflage" spülen und putzen. Aufsteigen könne man nur, wenn man verschiedene Aufnahmerituale bestehe.
( WikipediA:1991 leistete Guttenberg seinen Grundwehrdienst im Gebirgsjägerbataillon 233 in Mittenwald. Er schied als Unteroffizier der Reserve aus.- Anm. d.Red)
> Neuer Prozess um Rekrutenmisshandlung in Coesfeld (28.10.2009) [wdr]
Quelle: www.tagesschau.de/inland/bundeswehr288.html - Stand: 09.02.2010 18:16 Uhr
Foto: ddp
www.rp-online.de/panorama/deutschland/Mussten-Soldaten-rohe-Leber-essen_
Vorgesetzte schritten nicht ein
Die Vorgesetzen waren laut der Beschwerde über alles informiert, schritten aber nicht ein. Robbe schreibt an den Ausschuss, erste Informationen des zuständigen Divisionskommandeurs hätten die Eingabe des Soldaten "im Wesentlichen" bestätigt. Die Rituale hätten sich offenbar über die Jahre herausgebildet und immer weiter gesteigert.
Wozniak sagte der DAPD jedoch, die Vorgesetzten hätten von dem Vorfall vom Juni 2009 keine Kenntnis gehabt. Es seien ältere Mannschaftsdienstgrade beteiligt gewesen, darunter auch ehemalige Soldaten.
In seiner Mitteilung an den Verteidigungsausschuss spricht Robbe von Aufgaben, die zum Teil "als erniedrigend und herabwürdigend" anzusehen seien. Auch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wurde inzwischen informiert, wie Robbe schrieb.
Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, sagte er der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung": "Wenn sich die Berichte so bestätigen, hat sich das Koordinatensystem bei dem einen oder anderen verschoben. Ich warne aber davor, das auf die ganze Truppe zu übertragen. Aufgrund solcher Vorgänger ein allgemeines Bild zu zeichnen, ist nicht zulässig."
Mobilisierungsseite der Kampagne „Angreifbare Traditionspflege“:
Schluss mit dem Gebirgsjägertreffen in Mittenwald
Angreifbare Traditionspflege
Dies ist die Mobilisierungsseite der Kampagne „Angreifbare Traditionspflege“, die sich gegen das Treffen der Gebirgsjäger zu Pfingsten am Hohen Brendten richtet. Dieses Jahr treffen sich in Mittenwald zum 50. Mal Wehrmachtsveteranen, ehemalige und aktive Bundeswehrsoldaten sowie deren SympathisantInnen zum Gedenken. Bei der Traditionspflege der Gebirgstruppen werden die Kriegsverbrechen im Rahmen des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges unter den Tisch gekehrt. Unter dem Deckmantel der „Bandenbekämpfung“, als „Vergeltungsmaßnahmen“ für (angebliche oder tatsächliche) Widerstandsaktionen der Zivilbevölkerung und der PartisanInnen, verübten Einheiten der Gebirgsjäger über 50 Massaker in Griechenland, Italien, Frankreich, Finnland, Jugoslawien, Polen, Albanien und in der Sowjetunion. Im nordgriechischen Dorf Kommeno ermordeten sie 317 ZivilistInnen und auf Kephallonia, einer Insel bei Korfu, metzelten sie über 5000 entwaffnete italienische Soldaten nieder.
Seit einigen Jahren konfrontieren AntifaschistInnen die Öffentlichkeit mit der mörderischen Tradition der Gebirgstruppe. Die Reaktionen reichen vom Leugnen der Fakten bis hin zum Versuch, Massaker dadurch zu legitimieren, dass man sich ja nur gegen PartisanInnen geschützt habe. Diejenigen, die am Ort der Täter das Gedenken an die Ermordeten einfordern, werden angegriffen – so geschehen 2002, als einige AntifaschistInnen bei einem Festmahl des Kameradenkreises eine Gedenkminute für die bei Massakern Getöteten abhalten wollten. Immer wieder zeigt sich, was der Kameradenkreis ist: eine Selbsthilfegruppe für Kriegsverbrecher. Doch 2005 musste schließlich auf öffentlichen Druck die Kameradschaft des Polizei-Gebirgsjägerregiments 18 aus dem Kameradenkreis ausgeschlossen werden, nachdem die Beteiligung dieses Regiments an der Deportation der Athener Jüdinnen und Juden in die Vernichtungslager nicht länger geleugnet werden konnte.
Der Kameradenkreis übernimmt damit gezwungenermaßen eine Modernisierung des Gedenkens, die die Bundeswehr seit Jahren betreibt. Dort heißt es seit 1997 im sog. Traditionserlass, dass die Wehrmacht als Institution keine Tradition begründen dürfe. Eine Armee, die in alle Welt geschickt wird, soll nicht als Wehrmachtsnachfolgerin gesehen werden. Historische Fakten werden jetzt nicht mehr geleugnet, sondern verbogen und instrumentalisiert. Die militärische Niederlage des Nationalsozialismus wird zum Sieg der Demokratie über den Extremismus umgedeutet. Das Deutschland, das heute auf der weltpolitischen Bühne auftritt, gibt sich geläutert und stellt sich auf die Siegerseite. Doch diese „Armee im Einsatz“ kann nicht ohne Traditionen wirken. Denn die Bundeswehr braucht SoldatInnen, die tapfer, kameradschaftlich und hart gegen sich selbst große Leistungen vollbringen. Dieser soldatische Mist wird mit der Traditionspflege weitergegeben, die Vorbilder stammen aus der Tätergeneration. Denn auch wenn die Wehrmacht als ganzes keine Tradition begründen darf, sind einzelne Teile sehr wohl traditionsstiftend für die Bundeswehr – unter ihnen die Gebirgsjäger.
siehe:mittenwald.blogsport.de/about/