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Die wichtigste Drehscheibe |
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Die wichtigste Drehscheibe
Der Bau der Ostsee-Pipeline ("Nord Stream") vom russischen Vyborg (bei Sankt Petersburg) ins deutsche Lubmin (bei Greifswald) ist Ende letzter Woche offiziell gestartet worden. Die Röhre soll bereits ab Ende 2011 russisches Erdgas in die Bundesrepublik liefern und jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter transportieren. Das ist rund die Hälfte des derzeitigen deutschen Erdgasverbrauchs. An dem Unternehmen Nord Stream sind die deutschen Konzerne Eon Ruhrgas und BASF Wintershall zu je 20 Prozent beteiligt [1], den Aktionärsausschuss leitet der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), als Geschäftsführer fungiert ein langjähriger Mitarbeiter der Dresdner Bank. Die Pipeline mache Deutschland "zur wichtigsten Drehscheibe zur Verteilung des russischen Gases in Westeuropa", urteilt der Russland-Experte Alexander Rahr.[2] Außerdem eröffne sie den deutschen Konsortialfirmen den Zugang zu umfangreichen neuen Erdgaslagern im russischen Nordwesten. Nebenbei fallen beträchtliche Industriegewinne an. Die deutsche Firma Europipe, eine gemeinsame Tochtergesellschaft der Salzgitter Mannesmann GmbH und der Dillinger Hütte, wird drei Viertel der Rohre für den ersten Pipelinestrang herstellen. Das Volumen des Auftrags beläuft sich auf 1,2 Milliarden Euro - ein neuer Rekord in der Firmengeschichte.
Das Mittelmeer des 21. Jahrhunderts
Deutsche Regierungsberater dringen auf einen raschen weiteren Ausbau der deutsch-russischen Kooperation. Hintergrund ist die Verschiebung der weltpolitischen Gewichte vom atlantischen zum pazifischen Ozean, die mit dem Aufstieg der Volksrepublik China zum wohl bedeutendsten Rivalen der Vereinigten Staaten verbunden ist. Beobachter vermerken sorgfältig, dass es in einem unlängst mit großem Medienecho publizierten zentralen russischen Strategiepapier heißt: "Der stille Ozean verwandelt sich nach und nach in das Mittelmeer des 21. Jahrhunderts".[3] Die implizit enthaltene Forderung, Moskau müsse den ostasiatischen Pazifikstaaten größere Aufmerksamkeit widmen, sei ernst zu nehmen, ist in Berlin zu hören. So warnt Alexander Rahr, einer der profiliertesten Russlandexperten in der deutschen Hauptstadt, Russland, das heute 88 Prozent seiner Erdgas- und 58 Prozent seiner Erdölausfuhren nach Europa liefere, könne "in fünfzehn Jahren zwei Drittel seiner Erdgasexporte und Erdölexporte nicht der EU, sondern den wachsenden Wirtschaften Asiens zukommen lassen". Dies liege "nicht im EU-Interesse", erklärt Rahr und plädiert für den Aufbau einer "Energieallianz" zwischen Russland und der EU nach dem Vorbild der Nachkriegs-Montanunion in Westeuropa.[4] Es gehe um eine "Politik der Verflechtung" mit Russland und insbesondere mit Sibirien, "dem an Bedeutung gewinnenden Rohstoffreservoir Europas".
Flüssiggas statt Pipelines
Warnungen, Deutschland könne durch seine enge Kooperation mit Moskau zwar eine zentrale Rolle bei der Erdgasversorgung Westeuropas einnehmen, drohe dabei aber in Abhängigkeit von Russland zu geraten, sind nach Ansicht von Regierungsberatern in Berlin unbegründet. Zum einen verweisen sie auf die zunehmende Verfügbarkeit von Flüssiggas, das mit Hilfe von Tankschiffen ohne größere Schwierigkeiten transportiert werden kann. Dies senke die zuvor herausragende Bedeutung von Erdgaspipelines erheblich. Hinzu komme, dass inzwischen auch Erdgaslagerstätten profitabel abgebaut werden könnten, die in bis vor kurzem unzugänglichen tiefen Schieferböden lägen (Shale Gas). Tatsächlich konnten etwa die Vereinigten Staaten ihre Erdgasproduktion im letzten Jahr mit Hilfe von Shale Gas deutlich steigern; auch in Europa explorieren Energiekonzerne in jüngster Zeit Erdgasvorkommen in Schieferböden. Allerdings liegen hierzu unterschiedliche Einschätzungen vor. So äußert sich beispielsweise ein für Erdgas zuständiger Mitarbeiter der EU-Kommission skeptisch: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Shale-Gas-Revolution der USA die EU genauso stark trifft".[5]
"Hochstapler"
Neben dem Bedeutungsverlust von Erdgaspipelines müsse auch der Machtverlust Moskaus in Rechnung gestellt werden, heißt es in Berlin. So urteilte ein Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) bereits im März 2009 über die russische Führung: "Diese Eliten wissen genau, dass Russland, das kaum die Wirtschaftskraft Italiens hat, kein großer Spieler auf der Weltbühne ist. Sie wissen, dass sie zum Teil wie Hochstapler wirken, wenn sie das Gegenteil behaupten."[6] Russland sei "nicht so attraktiv, dass es mit China oder der EU konkurrieren könnte", bekräftigte der Experte im August 2009: Moskau müsse vielmehr entscheiden, mit wem es zum Machterhalt kooperiere.[7] Die Gefahr, in Abhängigkeit zu geraten, so ist zu hören, drohe Berlin daher kaum.
Einkaufstour
Möglichkeiten zu einer engeren deutsch-russischen Kooperation eröffnen sich gegenwärtig vor allem bei einer Vielzahl von Unternehmensverkäufen, die der russische Staat plant. Moskau will in den kommenden Jahren mehr als 5.000 Staatsunternehmen privatisieren. Hintergrund ist neben den Bemühungen um eine Modernisierung der maroden russischen Industrie auch die Tatsache, dass die stark gesunkenen Erdgaseinnahmen ein tiefes Loch in die staatlichen Etats gerissen haben. Dies soll auch durch Verkäufe staatseigener Firmen ausgeglichen werden. Bereits im Oktober war eine hochrangige deutsche Managerdelegation mit dem russischen Ministerpräsidenten Putin zusammengetroffen, um über das Vorhaben zu sprechen. Nun erklärt der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft, er wolle sich direkt an der Weiterentwicklung der Moskauer Privatisierungspläne beteiligen. Trotz der Krise sei das Volumen der deutschen Direktinvestitionen in Russland auch im vergangenen Jahr weiter gestiegen; diese Entwicklung wolle man fördern.[8]
Gegen null
Wie der Ost-Ausschuss verlauten lässt, habe man in der Bundesrepublik ohnehin umfangreiche Erfahrungen in Sachen Privatisierung sammeln können - beim Ausverkauf der Staatsbetriebe der Deutschen Demokratischen Republik. Darüber habe der Vorsitzende des Ost-Ausschusses, Klaus Mangold, vor wenigen Tagen mit der russischen Wirtschaftsministerin gesprochen. Insbesondere habe man darauf hingewiesen, dass die Nettoerlöse beim Verkauf von Staatsbetrieben keinesfalls im Vordergrund stehen dürften; sie könnten sogar, wie die Erfahrungen aus der Abwicklung der DDR zeigten, "gegen null tendieren".[9] Deutsche Unternehmen seien - zumindest unter solchen Umständen - willens und in der Lage, billig übernommene russische Betriebe zu modernisieren.
Konkurrenz
Bei ihren Bemühungen um die Übernahme russischer Betriebe stoßen die deutschen Unternehmen auf Konkurrenz: Wie inzwischen beinahe überall bemühen sich auch in Russland Firmen aus China um eine stärkere Marktposition, mit deutlich wachsendem Erfolg. Unter den Lieferanten Russlands hat die Volksrepublik die Bundesrepublik Deutschland mittlerweile überholt.[10]
Weitere Informationen zur Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen finden Sie hier: Natürliche Modernisierungspartner, Zum zweiten Mal, Finanzbrücke, Eurasien, Atomallianz, Strategische Konzepte (II), Stürzende Giganten (II), Die Wirtschaftsachse Berlin-Moskau (I), Die Wirtschaftsachse Berlin-Moskau (II), Hemisphären, Erdgaskooperation und Keine Angst vor Moskau!.
[1] Einer unlängst getroffenen Übereinkunft zufolge werden Eon und BASF in Kürze jeweils einen Nord Stream-Anteil von 4,5 Prozent abgeben und damit dem französischen Konzern GDF Suez den Einstieg mit einem Anteil von neun Prozent ermöglichen. Die Mehrheit (51 Prozent) verbleibt bei Gazprom. Die niederländische Gasunie hält neun Prozent.
[2] "Abhängigkeit hat uns nicht geschadet"; tagesschau.de 09.04.2010
[3] Russlands Modernisierungsstress - oder auch: Gedanken über das "Mittelmeer des 21. Jahrhunderts"; www.russland.ru 24.03.2010
[4] Energieallianz als Integrationsprojekt; www.euractiv.de 15.03.2010
[5] Wenig Hoffnung auf die Gasrevolution aus den USA; diepresse.com 18.03.2010
[6] "Eliten wissen, Moskau ist kein großer Spieler"; Berliner Zeitung 06.03.2009
[7] "Russland kann mit der EU und China nicht konkurrieren"; www.dw-world.de 20.08.2009
[8], [9] Russland plant Privatisierung; Frankfurter Allgemeine Zeitung 06.04.2010
[10] Wirtschaftsdaten kompakt: Russland; www.gtai.de November 2009 |
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Ankündigungen (siehe: Aufrufe und Einladungen) |
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Zur Zeit sind Soldaten der Bundeswehr in folgenden Ländern im Einsatz:
Kosovo, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Afghanistan, Usbekistan ,Sudan
Horn von Afrika (Djibouti) und vor den Küsten Libanons und Somalias
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