Nie wieder Krieg? -3sat-Themenwoche
Thomas de Maizière verfaßte die VPR 2011 (Quelle: Bundespresseamt)
Nach der Lichtfigur, jetzt der preußische de Maiziére
Krieg in der Welt wieder Frage der Ehre
Welt online, 19. Mai 2011
"Wir sind eine ganz besondere Nationalmannschaft"
Der oberste Dienstherr hat den Nachwuchs als zentrales Problem erkannt. Nun wirbt er um Freiwillige
Mindestens 5000 und höchstens 15 000 Plätze für Kurzzeitsoldaten reserviert
Eine große Unbekannte gibt es noch bei der Neuausrichtung der Bundeswehr. Thomas de Maizière (CDU) hat es in seinem Konzept mit einem "X" bezeichnet. Dahinter steht die Frage, auf die der Verteidigungsminister bisher keine Antwort weiß: "Wie vielen jungen Menschen können wir überhaupt schmackhaft machen, für ein Jahr oder bis zu 23 Monate den freiwilligen Wehrdienst zu leisten?" Er könne darauf im Moment keine präzise Antwort geben, deswegen gehe er lieber auf Nummer sicher und rechne mit der Formel "5000 plus X".
Mindestens 5000 Frauen und Männer ab 18 Jahren sollen künftig aus freien Stücken in den Streitkräften dienen - sollten sich aber mehr melden, will de Maizière auch denen einen Platz anbieten können, maximal sollen es 15 000 Stellen werden. Zusätzlich zu den 170 000 Berufs- und Zeitsoldaten wäre mit dieser Zahl auch die vom Kabinett gesetzte Obergrenze von insgesamt 185 000 Soldaten erreicht.
Nach der endgültigen Aussetzung der Wehrpflicht ist die Bundeswehr vom 1. Juli an faktisch eine Freiwilligenarmee. "Dies ist fraglos ein tieferer Einschnitt, als das heute viele schon wahrnehmen", sagte de Maizière in einer Rede vor militärischem Führungspersonal in der Berliner Julius-Leber-Kaserne. Deswegen müsse man vorausschauend handeln. Nicht nur das Geld, auch sinkende Jahrgänge setzten dem Gesamtumfang der Bundeswehr natürliche Grenzen. Hätten zu Hochzeiten in den 80er-Jahren noch mehr als 600 000 junge Männer zur Verfügung gestanden, seien es heute insgesamt noch so viele Männer und Frauen. Und nicht alle davon seien geeignet.
"Wenn wir auch in Zukunft unseren Nachwuchs unter den Geeignetsten auswählen wollen, dann sollten sich möglichst drei Bewerber für eine Stelle eines Berufs- oder Zeitsoldaten melden und zwei für einen Platz im Freiwilligen Wehrdienst", sagte der Minister. "Das ist ein anspruchsvolles Ziel." Denn bei der Nachwuchsgewinnung tritt die Truppe in einen wachsenden Wettstreit mit der Wirtschaft, gerade in Zeiten von Führungs- und Fachkräftemangel. Das weiß der CDU-Minister, auch deshalb sagte er mehrfach das Wort "demografiesicher".
Ebenso großen Wert legte de Maizière auf die gesellschaftliche Anerkennung. Er will den Dienst in den Streitkräften zu einer Frage der Ehre machen. "Es ist ehrenvoll, in deutscher Uniform für eine bessere, gerechtere, freiere und sichere Welt einzutreten", sagte der Minister. "Wir sind gewissermaßen eine ganz besondere Nationalmannschaft."
Der Beruf des Soldaten unterscheide sich erheblich von anderen Aufgaben in diesem Land. "In keinem anderen Beruf wird verlangt, für die Erfüllung des Auftrages, für den Dienst an unserem Land tapfer das eigene Leben einzusetzen." Über solche Themen müsse man sprechen und dabei das Positive betonen. Ebenso wichtig wie finanzielle Anreize und attraktive Arbeitsbedingungen seien auch prägende Erfahrungen, die junge Menschen in der Bundeswehr reifen ließen. "Einer guten Sache zu dienen, Verantwortung zu übernehmen, im Team Erfolg zu haben, vielleicht auch den Reiz des Besonderen zu erfahren", das müsse als Motivation hinzukommen.
Dennoch hält sich unter Soldaten eine gewisse Skepsis. "Diese Reform wird nur dann gelingen, wenn der Dienst in den Streitkräften deutlich attraktiver wird", sagte etwa der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch. "Konkrete Angebote dazu bleibt der Minister leider schuldig."
Von rund 80 Punkten einer sogenannten Attraktivitätsagenda sind erst wenige umgesetzt. Außer den Verpflichtungsprämien für Freiwillige und den Weiterverpflichtungsprämien für Zeitsoldaten soll es zum Beispiel bis zu 200 neue Eltern-Kind-Arbeitszimmer geben, 70 neue Plätze für Kindertagesbetreuung und acht Betriebskindergärten; einen davon an der Bundeswehr-Universität München und einen am Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz. Zu konkreten Maßnahmen äußerte sich de Maizière in seiner Berliner Rede aber noch nicht. Noch weiß er auch nicht, wie viel Geld er dafür zur Verfügung haben wird.
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