EU: Klimawandel gefährdet den Weltfrieden
Wachsende Flüchtlingsstörme, Verteilungskämpfe um Nahrung: Die EU sieht im Klimawandel eine Gefahr für den Weltfrieden und fordert im UN-Sicherheitsrat eine Debatte über die Folgen der Erderwärmung.
Von Nicolas Richter
Auf Initiative Großbritanniens und gegen den Willen der USA und Chinas befasste sich der UN-Sicherheitsrat in New York am Dienstag erstmals mit dem Weltklima.
Die britische Außenministerin Margaret Beckett hatte das Thema auf die Agenda des Sicherheitsrats gesetzt. Sie verglich die sich abzeichnende Klimakatastrophe mit den Jahren vor 1939, als sich die Gefahr des Zweiten Weltkriegs anbahnte. In ihrer Rede nannte Beckett den Klimawandel den "heraufziehenden Sturm unserer Generation“.
So hatte der damalige britische Premier Winston Churchill die Jahre zwischen den Weltkriegen beschrieben. Im Vergleich zu damals gebe es aber einen Unterschied, sagte Beckett: Während es nicht möglich gewesen sei, die kriegerischen Absichten Adolf Hitlers zu belegen, fehle es heute nicht an starken Beweisen dafür, dass der Klimawandel unvermeidbar sei. Es seien Hungersnöte, Überschwemmungen, Flüchtlingsströme und Konflikte um Trinkwasser zu befürchten, die den Weltfrieden destabilisieren könnten.
Der deutsche UN-Botschafter Thomas Matussek erklärte im Namen der Europäischen Union, die Auswirkungen des Klimawandels auf Frieden und Sicherheit müssten stärker beachtet werden. "Es gibt eine deutliche Verbindung zwischen Klimawandel und Konfliktprävention", sagte Matussek. Er forderte, die Erderwärmung weiter zu erforschen und ein System "präventiver Diplomatie" einzurichten, um deren schlimmste Folgen abzumildern.
Der Vorstoß der Europäer galt in diplomatischen Kreisen als Signal dafür, dass sich die EU künftig auf allen Ebenen der UN für das Klima einsetzen werde. Nach Ansicht der Europäer muss das Thema die Zirkel der Ökologen und Experten verlassen und als Angelegenheit der internationalen Sicherheit gesehen werden. Töpfer: "Vernichtung der Lebensgrundlagen"
Allerdings verärgerte diese Initiative nicht nur die Veto-Mächte USA, China und Russland, sondern auch den überwiegenden Teil der Dritten Welt. Die US-Regierung lehnt es ab, die Erderwärmung durch internationale Abkommen zu bremsen. So hat sie sich auch geweigert, dem Kyoto-Protokoll zur Reduzierung der Treibhausgase zuzustimmen.
In der Dritten Welt herrscht allgemein Argwohn gegenüber dem Sicherheitsrat, der als Organ der Mächtigen gilt. Die Organisation der Entwicklungsländer G-77 warf dem Sicherheitsrat vor, mit der Klimadebatte seine Kompetenzen zu überschreiten. Die Dritte Welt will das Thema lieber in der Generalversammlung behandeln, wo sie die Mehrheit hat.
Dennoch wird die Einschätzung der Europäer auch von Amerikanern geteilt: So kamen ranghohe Ex-Generäle in einer Studie zu dem Ergebnis, dass der Klimawandel eine ernste Gefahr für die USA darstelle. Der Bericht mit dem Titel "Die nationale Sicherheit und die Bedrohung durch den Klimawandel" widmet sich den Risiken für die Sicherheitsinteressen der Vereinigten Staaten. In politisch instabilen Regionen könne eine Klimakatastrophe Extremismus und Terrorismus fördern, heißt es in der Studie.
Der frühere Leiter des UN-Umweltprogramms Unep, Klaus Töpfer, warnte im ARD-Fernsehen, durch die steigenden Temperaturen würden die Lebensgrundlagen von Menschen vernichtet, so dass "wir mehr und mehr Klimaflüchtlinge bekommen". Davon besonders betroffen seien die Ärmsten der Armen, die am wenigsten zu der Situation beigetragen haben. "Dies sind ganz sicherlich Konfliktgründe", sagte Töpfer.
(SZ vom 18.04.2007)
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Klimaveränderungen als Kriegsgrund:
Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung globale Umweltveränderungen:
Sicherheitsrisiko Klimawandel
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© ZEIT online, 16.4.2007