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Der Zapfenstreich und die Produktion von Geschlecht/Gender im Militär

 

 

von KH Militär- und Patriarchatskritik

Der Zapfenstreich und die Produktion

von Geschlecht/Gender im Militär

 

Bundeswehr hat sich in ihrer historischen Traditionspflege immer auf Preußen bezogen. Fritz dem Großen verdanken sie hierzulande nicht nur die Einführung der Kartoffel als Grundnahrungsmittel (um sein Heer zu ernähren). Die Preußenkönige erfanden das stehende Heer und brachten den männlichen Bauern mit Gewalt und Drill den Stechschritt bei, mit dem diese dann „freiwillig“als gemeinsamer Truppenkörper in Richtung Feind marschierten - mit mehr Furcht vor dem vorgesetzten Offizier im Nacken als vordem schießenden Feind voran ...

Während „Feldjäger“ früher hinter den Linien die Deserteure einfingen, sind sie heute eher hinter DemonstrantInnen her, die die Feierlichkeit militärritueller Tötungsvorbereitungen stören könnten.

Öffentliche Gelöbnisse oder Zapfenstreiche sind solche perfide zeremonialisierten Rituale, die in der Öffentlichkeit eine herausgeputzte Armee präsentieren.

Einmarsch, Aufstellung, Fackelformation, Musikkorps, Anbetung der transzendentalen Autorität - das sind die Formen, in denen der Truppenkörper auftritt. Der Zapfenstreich hat als derartiges Militärritual gesamtgesellschaftliche Wirkungen: Zum einen lassen derartige Spektakel keinen Raum für Gedanken an zerfetzte, verstümmelte und geschändete Körper, deren Produktion das militärische Treiben letztlich dient. Ein weiterer Effekt - und sicher nicht der unwichtigste - ist die Herstellung eines ganz bestimmten Typus von Männlichkeit und einer ganz bestimmten Vorstellung von der Ordnung

der Geschlechter: Das Ideal erscheint in der ethnisch sortierten, monogamen Heterosexualität.

Schon was direkt ins Auge schlägt: Es herrscht eine Ordnung aus Geraden und Rechtecken und ein Automatismus sich ständig wiederholender Gesten, Körperhaltungen und Befehle.

Die militärische Ästhetik solcher Militärrituale stellt die militärische Gewaltstruktur mit ihrenWerten Kampfbereitschaft, Tapferkeit und Heldentum immer wieder neu her.

 

Antike Wurzeln militärischer Männlichkeit

Schon in der griechischen Antike ist der männliche Körper als die Symbolgestalt für einen berechenbaren Körper entwickelt worden. Auf den Bildhauer Polyklet geht seine Kanonisierung zurück. Der Begriff Kanon kommt aus der Baukunst und bedeutet ursprünglich Richtrohr. Polyklet übertrug das auf die Proportionen des Körpers und regulierte, kanonisierte normte

ihn. Und mit diesem normalen Körper war seitdem der männliche Körper gemeint. Seit der griechischen Hochkultur, die eine wichtige Wurzel abendländischer Hochkultur bildet, blieb er Symbolträger der Norm. Demgegenüber wurde der weibliche Körper Symbolträger von Anomalie, von dem Anderen, dem Fremden.

Wenn nun eine Gemeinschaft entsteht, wie eine militärische Gemeinschaft, die auf Berechenbarkeit beruht, auf Funktionsfähigkeit, auf vielen Faktoren, die Norm und Normierung besagen, dann ist es ganz selbstverständlich, dass ein solcher Gemeinschaftskörper auf ein männliches Bild von Körper zurückgreift, um sich selbst darzustellen.

 

Militärische Herrschaft des Mannes über die Frau

Die militärische Ausbildung, der Drill, der Druck, ständig alles richtig machen zu müssen, die ständige Überforderung, konstruieren militarisierte Männlichkeit, reproduzieren patriarchale Kultur und wirken solcherart ständig ins nichtmilitärische Leben zurück. Der gepanzerte Krieger - individuell und in Formation den Gegner konfrontierend und „eindringend“- konkretisieren das gängige Stereotyp von Männlichkeit. Die Wirkung des Militärrituals wird ergänzt durch die Geschlechtervorstellungen prägende Praxis des sexistischen Witzes, der systematischen Diskriminierung von Homo- und Transsexualität, des gemeinsamen Bordellbesuches und der Sexualisierung von Waffen, etwa durch die Bezeichnung von

Gewehren als „Braut des Soldaten“. Darüber hinaus gelten massenhafte Vergewaltigungen nach militärischen Siegen in patriarchal-militärischer Tradition als Siegerrecht. Vergewaltigung wird als Waffe eingesetzt und hat seine Funktion in der finalen Demütigung bzw. Zersetzung des biologistisch-national bestimmten Feindeskollektivs.

 

Militär und Prostitution

Der militärische und sexualisierte Zugriff auf die Körper beschränkt sich nicht auf die Zeitabschnitte kriegerischen Kampfgeschehens. Die grüne Militärbeauftragte setzte sich im Rahmen einer Diskussion um den sexuellen

Missbrauch Minderjähriger durch „ihre“ Besatzungstruppen in Mazedonien dafür ein, dass die Bordellbesuche der Soldaten bzw. die Bordelle und Prostituierten besser kontrolliert werden: „Die Bundeswehr kann ihre Soldaten nicht einfach ins Ausland schicken und sich dann nicht mehr kümmern. Ich erwarte vom Verteidigungsministerium einen Bericht auch darüber, inwieweit es bei Auslandseinsätzen Angebote für Soldaten gibt, Beziehungen aufzubauen und ihre Freizeit zu gestalten.“ (Angelika Beer)

Prostitution und Vergewaltigung durch Bundeswehrsoldaten sollen unter dem Deckmantel der formellen Gleichheit von Vertragspartnern stattfinden können und Mindestalter beachtet werden. Der Soldat soll zuverlässig und hygienisch-medizinisch sicher eine Dienstleistung bei der Sexarbeiterin kaufen können. Das Gewaltverhältnis verhüllt sich in der angestrebten Einhaltung von Rechts und Qualitätsstandards sowie Marktförmigkeit. Hier wird der sexuelle Akt zur Ware in einem Dienstleistungsgeschäft. Die Gewalthaltigkeit des Verhältnisses verflüchtigt sich aus dem Bewußtsein.

 

Militarisierung weiblich-zugeschriebener Kompetenzen

Beim Militär, das die geschlechtlichen Dominanzverhältnisse maßgeblich konstituiert, handelt es sich tatsächlich „um den Inbegriff des Patriarchats“ (Albrecht-Heide). Wichtig für die Gender-Konstruktion war und ist die Kasernierung: Dort findet seit mehr als 300 Jahren die Prägung patriarchaler Männlichkeit statt, anfangs noch unter Ausschluss von Frauen. Denn in Zeiten asymmetrischer Kriegführung und terrorbekämpfender weltweiter „Polizeieinsätze“ mit militärischen Mitteln werden auch die der Weiblichkeit zugeschriebenen schützenden, umarmenden Qualitäten militärisch interessant: Binnenmilitärisch soll die Präsenz von Frauen im Rahmen längerfristiger Auslandseinsätze Spannungen abbauen. Im Auftreten des Militärs als Besatzungsmacht gegenüber der Zivilbevölkerung sollen weibliche Soldaten deeskalierend wirken, insbesondere die Durchsetzung von Menschen- und Frauenrechten wird als besonderes Kompetenzfeld weiblicher Soldaten identifiziert. In all diesen Fällen wird auf klassische Geschlechterstereotypen zurückgegriffen. Auch bei der Modernisierung der Kampforganisation: Die hierarchische Kriegsführung mit ihren riesigen Arsenalen und Kontingenten ist mittlerweile undenkbar ohne die Vernetzung mit Informationstechnologien. Selbstverantwortliche Truppenteile sind schneller, flexibler, tödlicher, wenn sie nicht befehlstaktisch (jeder einzelne Befehl kommt von ganz oben) sondern auftragstaktisch (nur der Auftrag kommt von oben) geführt werden. Militärkritik ohne Männlichkeitskritik greift also ebenso zu kurz wie Feminismus ohne Militärkritik.

 

Gleichstellung und Modernisierung von Militär

Bemühungen um Integration und Gleichberechtigung der Frauen in der Bundeswehr gehen einher mit Forderungen aus der Geschlechterforschung, die die „Implementierung von Gleichstellungsregimen in Einsatzgebieten“ als „wichtige neue Aufgabe“ für „SoldatInnen“ formuliert. Die Militärapparate können es sich offensichtlich nicht mehr leisten, auf die Frauen und „ihre Qualitäten“ zu verzichten. Deren Einbeziehung erfolgt genau in dem Maße, das zur Aufrechterhaltung und zum Ausbau der militärischen Funktionalität - der kollektiven Anwendung von Gewalt - notwendig ist.

Selektionsmechanismen innerhalb der Rekrutierung und der Ausbildung garantieren, dass sich die ins Militär aufgenommenen Frauen den Funktionsprinzipien von Militär gänzlich unterwerfen. Die Geschlechterkonkurrenz, die mehr oder weniger subtil ins Militär verlängert wird, hat die nur auf den ersten Blick absurde Konsequenz, daß Menschen egal welchen Geschlechts, wollen sie im Militär bestehen, die „echten“ Männer zu sein haben.

 

Binäre Geschlechterordnung und Patriarchatsreform

Frauen im Militär ändern nichts an dessen sexistischer Struktur und an der dortigen Reproduktion patriarchal-männlicher Identität. Die falsche Prämisse der binären Geschlechterordnung behält ihre Gültigkeit. Dabei sind Männlichkeit und Weiblichkeit gerade nicht anhand der biologischen Geschlechtsmerkmale eindeutig zuzuordnen und in einer binären Ordnung einander gegenübergestellt: Die zurechtstutzende Gewalt der Pädiatrie und Gynäkologie will das nicht wahrhaben und stutzt geschlechtlich nicht klar einteilbare Menschen meist schon im Säuglingsalter zurecht.

Viele Betroffene haben manchmal ihr Leben lang mit den physischen und psychischen Folgen dieser Operationen zu kämpfen. Die konkrete Ausprägung von Geschlechtlichkeit dagegen ist vielmehr Ergebnis tiefgreifender Prägungen und Sozialisationen, die die als männlich und weiblich zugeschriebenen Merkmale gewichten. Wird dementsprechend das Konzept der strikten Zweigeschlechtlichkeit nicht theoretisch kritisiert und praktisch zersetzt, dann kommtauch das Militär durch die Integration von Frauen nicht in Bedrängnis.

Vielmehr reformiert sich dann das Militär, indem es seine Fixierung auf den biologischen Mann aufgibt. Auf der Basis der unhinterfragten, binären Geschlechterordnung kann es sich so noch besser als „verdinglichte Erscheinungsform von Gewalt“ (Krippendorff) behaupten: Ein Gleichstellungsdiskurs, der dies nicht mehr kritisiert, befördert diese Militärreformen, in

deren Rahmen die Frau zu diesem vormals exklusiven Männerclub zugelassen werden.

Einzige Bedingung: Auch die Frauen haben nach den militärischen - und damit ur-patriarchalen - Organisationsprinzipien zu funktionieren: Befehl und Gehorsam, hierarchische Vergesellschaftung, Akzeptanz von Gewalt und Mord als Mittel von Politik zur Konfliktbearbeitung bzw. Durchsetzung von Machtinteressen.

Es gibt also keinerlei begrüßenswerte Militärreform - weder durch Männer, noch durch Frauen - auch nicht durch die zivil-militärische Zusammenarbeit mit irgendwelchen NGOs.

Militär gehört abgewickelt. Und Zapfenstreiche gehören abgeblasen.

 

 

 
Ankündigungen (siehe: Aufrufe und Einladungen)  
  Zur Zeit sind Soldaten der Bundeswehr in folgenden Ländern im Einsatz:

Kosovo, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Afghanistan, Usbekistan ,Sudan
Horn von Afrika (Djibouti) und vor den Küsten Libanons und Somalias

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Zahlreiche Werbetermine der Bundeswehr findet ihr unter:

www.kehrt-marsch.de

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