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19.04.2010
Die
Anwohner von Vicenza demonstrieren regelmäßig gegen die US-amerikanische
Luftwaffenbasis, wie hier Mitte 2009  (Bild: AP) Die Anwohner von Vicenza demonstrieren regelmäßig gegen die US-amerikanische Luftwaffenbasis, wie hier Mitte 2009 (Bild: AP)

US-Kampfflieger erregen Proteste > hören

Warum sich die Bürger von Vicenza gegen den US-Stützpunkt wehren

Von Karl Hoffmann

Die USA lagern 90 Atomsprengköpfe in Italien, tausende US-Soldaten sind in dem Land stationiert und Washington investiert Millionen in die Stützpunkte. Während viele Italiener gegen die US-Militärpräsenz auf die Barrikaden gehen, blockiert die Regierung in Rom Initiativen zur atomaren Abrüstung.

Die Bürger von Vicenza gehen seit Jahren regelmäßig auf die Barrikaden. Sie wollen die stetig wachsende militärische Präsenz der Amerikaner in ihrer Umgebung verhindern - bisher ohne Erfolg. Vicenza ist ein US-Stützpunkt mit langer Tradition. Rund 12.000 Soldaten, ziviles Personal und Familienangehörige leben hier, weitere 3000 sollen dazukommen. 800 Millionen Dollar will die US-Regierung in den Ausbau des Stützpunktes Dal Molin investieren, um dort die gesamte 173. US-Luftlandebrigade zu konzentrieren. Damit wird Norditalien Zentrum der amerikanischen globalen Verteidigungsstrategie.

Vicenza liegt fast genau auf halbem Wege zwischen der NATO-Basis Aviano am Fuße der Ostalpen und dem italienischen Militärflughafen Ghedi Torre, nur wenige Kilometer südlich des Gardasees - den beiden amerikanischen Atomwaffenlagern in Italien. Giorgio Schultze, Sprecher des neuen Humanismus in Europa, hat auch hier vergeblich protestiert:

In Ghedi werden 40 Atomsprengköpfe gelagert. Sie stellen eine Bedrohung für den Nahen Osten und einen Großteil Asiens dar. Deshalb fordern wir die Beseitigung aller Atomwaffen in Italien und Europa.

Zu den 40 Sprengköpfen in Ghedi kommen weitere 50 auf der NATO-Basis Aviano. Wo sie wohl auch bleiben werden. Denn Italien zieht nicht mit, bei der Forderung anderer europäischer Länder nach einer Abrüstung auf dem Kontinent. Eine politische Entscheidung, auch wenn das keine der wechselnden Regierungen der letzten 15 Jahre zugeben mag. Dieser strategische Hintergrund sei aber überholt, meint der Wissenschaftler Nicola Cufaro, der sich für die Beseitigung des nuklearen Arsenals einsetzt:

Die Präsenz von Atomwaffen sollte den betroffenen Ländern, darunter auch Italien, ein Mitspracherecht bei einem eventuellen Einsatz dieser Waffen geben. Ich persönliche halte solche Überlegungen für reine Illusion und kann mir nicht vorstellen, dass die Amerikaner sich von Italien reinreden lassen in ihre Verteidigungsstrategien, nur weil bei uns 90 Atomsprengköpfe gelagert sind.

Das Pentagon hat Italien bereits Zugeständnisse gemacht. Die nukleare U-Boot-Flotte im Mittelmeer hat den Stützpunkt von Maddalena an der Nordspitze Sardiniens aufgegeben. Die Militärbasis in Comiso auf Sizilien, auf der in den 80er Jahren 112 Mittelstreckenraketen stationiert waren, ist wieder in italienischem Besitz. Bleiben die Basen in Neapel, Taranto und Sigonella auf Sizilien. Und natürlich der Militärstützpunkt Vicenza sowie die Atomwaffenarsenale in Aviano und Ghedi, trotz der Proteste der Bürger, die sich auch noch gegen den Vorwurf wehren müssen, anti-amerikanisch zu sein:

Wir sind Freunde der Amerikaner. Aber wenn ein Freund, dem man erst das Gästezimmer überlassen hat, sich häuslich niederlässt, erst das Bad und schließlich auch noch das Wohnzimmer in Beschlag nimmt, dann ist der Freund nicht mehr willkommen.

Dafür geben Italiens Regierungen - gleich welcher Couleur - mehr auf ihre freundschaftlichen Beziehungen zum Weißen Haus als auf die Bedürfnisse der protestierenden Bürger. Der Dauerkonflikt wird deshalb noch auf unbestimmte Zeit weiter schwelen.




20.04.2010 · 09:10 Uhr
Auf der
niederländischen Militärbasis Volkel lagert die US-Armee 20 Atombomben.
(Bild: AP) Auf der niederländischen Militärbasis Volkel lagert die US-Armee 20 Atombomben. (Bild: AP)

"Da wird schon nichts schief gehen" > hören

Niederländische Militärbasis ist auch Arbeitgeber in der Region

Von Kerstin Schweighöfer

Auf dem niederländischen Luftwaffenstützpunkt Volkel bei Eindhoven lagern 20 Atombomben der US-Armee - das behaupten zumindest Friedensaktivisten. Denn offiziell bestätigt ist der Vorwurf nicht. Und so haben sich die Bürger mit der Bedrohung arrangiert.

Ein einsamer Landstrich rund 30 Kilometer nördlich von Eindhoven. Zwischen ein paar grauen Lagerhallen liegen ein Parkplatz und eine grellbunt angemalte Kindertagesstätte. Gleich daneben, in einem Tiergehege, äsen Lamas und Emus zwischen Baumstämmen. Und weiter hinten im Wald, jenseits der hohen Absperrung, lagern 20 Atombomben - versteckt in Hochsicherheitsbunkern und bewacht von amerikanischen Soldaten.

José van Leeuwen ist beim Haupteingang des niederländischen Luftwaffenstützpunktes Volkel angekommen. Viermal hat sie hier bereits demonstriert, zum letzten Mal am 3. April. An diesem Tag fanden auch in anderen europäischen Ländern, in denen noch taktische Atomwaffen der Amerikaner lagern, Demonstrationen statt.

Es sei sehr gemütlich gewesen, mit viel Musik und Clowns, die einen Tunnel unter der Absperrung hindurch gruben. "Aber leider sind nicht mehr als 100 Demonstranten erschienen", erzählt José und begrüßt eine alte Bekannte von der sozialistischen Partei SP, die ebenfalls José heißt: José Louwers.

Die 62-Jährige wohnt gleich um die Ecke im Nachbarort Uden und kämpft schon seit Jahrzehnten gegen die Lagerung der Atombomben. Dabei kommt sie sich manchmal vor wie ein Rufer in der Wüste:

"In Belgien haben am dritten April 1000 Menschen demonstriert. Wir hingegen müssen froh sein, wenn es 100 werden! Ich habe hier auch schon Demos mit nur zehn Mann mitgemacht!"

Jose Louwers weiß auch, warum: Erstens sei der Luftwaffenstützpunkt ein wichtiger Arbeitgeber; auch verdiene der Mittelstand in den umliegenden Gemeinden gut an den Soldaten. Zweitens sind die Atombomben auf Volkel nach wie vor Staatsgeheimnis. Ein offenes Geheimnis zwar, aber eines, das von der Regierung nicht an die große Glocke gehängt wird - auch nicht von Außenminister Maxime Verhagen.

Dass sich auf Volkel 20 Atombomben befinden, könne er weder bestätigen noch dementieren, betonte Verhagen noch vor kurzem nach der Demonstration vom 3. April im niederländischen Fernsehen. "Angsthase!" schimpft Friedensaktivistin Louwers:

"Unsere Regierung will die guten Beziehungen zu Amerika nicht aufs Spiel setzen. Sie sieht sich als bester Freund der Amerikaner und will das leider auch bleiben!"

Folge: Die Bürger in Volkel und Uden lassen sich durch die Atomwaffen in ihrer direkten Nähe nicht aus der Ruhe bringen - falls sie über deren Anwesenheit überhaupt Bescheid wissen:

"Das ist neu für mich", staunt eine Schülerin. "Ich weiß eigentlich nicht genau, was das sind, Atomwaffen. Aber es erschreckt mich nicht."

"Mich stört das nicht", meint eine Mutter. "Wenn was passiert, sind wir zumindest sofort tot!"

"Je näher, desto besser", bestätigt eine andere Frau. "Da wird schon nichts schief gehen. Wir haben gute Kontakte mit den Soldaten auf der Basis. Irgendwo muss das Zeug ja gelagert werden!"

Inzwischen allerdings ist der Druck auf die niederländische Regierung, endlich Farbe zu bekennen, gewachsen: Schon im vergangenen Oktober hatten die Sozialdemokraten an die Abgeordneten appelliert, die Amerikaner endlich zum Entfernen der Atomwaffen auf Volkel aufzufordern. Aber es reichte nicht für eine Mehrheit. Außenminister Verhagen wies die Forderung als "kontraproduktiv" zurück und warnte vor einseitigen Schritten.

Von dem neuen Start-II-Abkommen haben die Niederländer zwar gehört - die Initiative ihres christdemokratischen Außenministers Verhagen und seines deutschen Amtskollegen Westerwelle, jetzt auch die taktischen Atomwaffen in Europa abzubauen, hat die niederländische Öffentlichkeit aber nicht so richtig wahrgenommen. Zum Leidwesen der Friedensaktivisten, die diese Initiative nur begrüßen können.

"Ein erster Schritt konnte dank Obama gemacht werden", freut sich José Louwers, "damit besteht auch die Aussicht auf einen zweiten."




21.04.2010 · 09:10 Uhr
US-Präsident Obama beim Atomgipfel in Washington (Bild: AP) US-Präsident Obama beim Atomgipfel in Washington (Bild: AP)

Idealismus als Antrieb > hören

Norwegen erinnert die USA an eigene Versprechen

Von Marc-Christoph Wagner

Warum beteiligt sich Norwegen, weit entfernt von den europäischen Stützpunkten der amerikanischen Atomwaffen, an der Abrüstungsinitiative? Gründe gibt es einige: Den Idealismus eines sozialdemokratisch-geführten Landes kombiniert mit handfesten Eigeninteressen.

Oslo, am 9. Oktober 2009. Der Vorsitzende des Komitees für den Friedensnobelpreis, Thorbjørn Jagdland, tritt vor die Mikrofone und verkündet den amerikanischen Präsidenten Barack Obama als diesjährigen Preisträger. In besonderer Weise habe das Komitee Obamas Vision einer atomwaffenfreien Welt gewürdigt.

Die Entscheidung führt zu Diskussionen. Obama sei zu kurz im Amt, äußern Kritiker. Zumal sei er Präsident einer zugleich in zwei Kriege involvierten Nation. In seiner Laudatio bei der Preisverleihung zwei Monate später geht Jagdland just auf diese Kritikpunkte ein, sagt, der Preis solle nicht als Anerkennung von bereits Erreichtem verstanden werden, sondern als Aufforderung, den begonnenen Weg weiter zu beschreiten. Und genauso habe es Preisträger Obama auch verstanden.

"The price could thus represent a call to action. President Obama has understood the Norwegian Committee perfectly. We congratulate him with this year's Nobel Peace Prize.
We must begin by acknowleding a hard truth. We will not erradicate violent conflict in our lifetimes."


Obamas Dankesrede überrascht manchen, befasst sie sich doch über weite Strecken mit dem Krieg als notwendigem, wenn auch nicht wünschenswertem Mittel. Als Präsident und Oberstkommandierender, verantwortlich für das Wohl seiner Nation, könne er sich nicht leiten lassen von den gewaltfreien Idealen Gandhis oder Martin Luther Kings, so sehr er diese auch schätze. Und dennoch, so Obama abschließend, müsse man sich diese Ideale stets vor Augen halten und auf sie hinarbeiten - Schritt für Schritt.

"Clear eyed we can understand, that there will be war and still strive for peace. We can do that, for that is the story of human progress. That's the hope of all the world. And at this moment of challenge, that must be our work, your honors. Thank you very much."

Auch wenn die Festreden längst verhallt sind, die nukleare Abrüstung ist seit Jahr und Tag Herzensangelegenheit norwegischer Regierungen, insbesondere sozialdemokratischer Couleur. Und so bestätigte Regierungschef Jens Stoltenberg erst in der vergangenen Woche auf dem Washingtoner Atomgipfel, warum seine Regierung auf die Abschaffung möglichst vieler Nuklearwaffen dränge.

"Egal, in welcher Form, sie sind und bleiben gefährlich. Die Gefahr eines Atomkrieges mag heute geringer sein als vor zehn Jahren. Gleichzeitig ist die Gefahr, Terroristen könnten an Atomwaffen gelangen und diese benutzen, sehr viel größer. Genau das ist die Herausforderung, vor der wir stehen. "

Und doch scheinen nicht nur idealistische Gründe die norwegische Regierung dazu bewegt zu haben, die Abrüstungsinitiative des deutschen Außenministers zu unterstützen. Das NATO-Mitglied Norwegen teilt im Norden eine gemeinsame Grenze mit Russland. Das eigene außenpolitische Interesse konzentriert sich vor allem auf die Arktis, in der enorme Ressourcen vermutet werden. Norwegen also könnte mit dem Brief versucht haben, den Prozess der Annäherung zwischen den Arktisanrainern USA und Russland zu befördern, zumindest aber mit einer unabhängigen Wortmeldung gegenüber den USA das eigene Ansehen beim russischen Nachbarn zu stärken. Sven Gabriel Holtsmark vom norwegischen Institut für Verteidigungsstudien.

"In der Arktis kommen alle Beteiligten nur durch Kooperation voran. Egal, ob die Förderung von Öl und Gas oder neue Schiffsrouten für den Welthandel - das alles verbleibt eine Fata Morgana, wenn die Anrainerstaaten nicht zusammenarbeiten. Dann ist die gesamte Region schlicht und ergreifend wertlos."
 


22.04.2010 · 09:10 Uhr
Ein
Friedensaktivist wurde festgenommen, nachdem er in den belgischen
Fliegerhorst Kleine Brogel eindringen wollte, um gegen die dort
angeblich stationierten Nuklearwaffen zu protestieren. (Bild: AP) Ein Friedensaktivist wurde festgenommen, nachdem er in den belgischen Fliegerhorst Kleine Brogel eindringen wollte, um gegen die dort angeblich stationierten Nuklearwaffen zu protestieren. (Bild: AP)

Belgien, die NATO und die taktischen Atomwaffen > hören

Sendereihe: "Nukleare Teilhabe adé?", Teil 4

Von Doris Simon

Sie waren ein wichtiger Teil des furchterregenden Arsenals der Abschreckung im Kalten Krieg: Die taktischen Nuklearwaffen, die die Vereinigten Staaten bei ihren westlichen Verteidigungspartnern stationiert hatten, wären im Ernstfall in der großen Schlacht mit dem Warschauer Pakt zum Einsatz gekommen.

Sie lagerten zu Tausenden in europäischen NATO-Ländern und in den Staaten auf der anderen Seite, im Osten, hinter dem Eisernen Vorhang. Über 20 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges fürchtet niemand mehr eine atomare Entscheidungsschlacht mit Moskau. Doch die taktischen Nuklearwaffen liegen immer noch in den Depots in Westeuropa. Mehrere Hundert sollen es sein, die Zahlen halten die USA und die Partner geheim.

Öffentlich dachte viele Jahre keine Regierung in der NATO darüber nach, was mit dem atomaren Abschreckungserbe passieren sollte. Bis der frischgebackene Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Herbst den Abzug der taktischen Nuklearwaffen aus Deutschland forderte.

Die Länder im Osten der NATO sehen den Abzug der taktischen Nuklearwaffen aus Europa, so wie es Westerwelle vorgeschlagen hat, als ein falsches Signal an Russland. Balten, Polen, Ungarn und Tschechen, deren Länder früher zum Warschauer Pakt gehörten, dürfen keine amerikanischen Atomwaffen in ihren Ländern stationieren, dazu hat sich die NATO gegenüber Moskau verpflichtet. Umso weniger Verständnis hatten sie anfangs für den freiwilligen Verzicht auf atomare Abschreckung in Westeuropa. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen warnte deshalb mehrfach vor Alleingängen einzelner Staaten:

" Es ist nur natürlich, dass es eine Diskussion in Politik und Öffentlichkeit gibt über unsere nukleare Strategie. Dabei ist es jedoch von größter Bedeutung, dass jeder Schritt, jede Entscheidung gemeinsam im Rahmen unseres Bündnisses getroffen wird. Denn diese Frage betrifft alle Verbündeten, es geht um Abschreckung und unser aller Sicherheit."

Inzwischen zeichnet sich Bewegung innerhalb der NATO ab: So gibt es in den östlichen Ländern des Bündnisses Überlegungen, einem Abzug der taktischen Nuklearwaffen zuzustimmen, wenn sie dafür konkrete Sicherheitsgarantien erhalten. Antworten in der Debatte um die Zukunft der taktischen Nuklearwaffen soll in diesem Jahr das neue strategische Konzept der NATO geben, eine der großen Wegmarken, die NATO-Generalsekretär Rasmussen sich und dem Bündnis gesetzt hat. Einer seiner Vorgänger, der Belgier Willy Claes, hat sich bereits festgelegt: Gemeinsam mit den früheren belgischen Regierungschefs Jean-Luc Dehaene und Guy Verhofstadt forderte Claes Mitte Februar den raschen Abzug der taktischen Nuklearwaffen aus Belgien und den verbündeten Ländern. Die Atomwaffen beschädigten die Glaubwürdigkeit des Westens, wenn dieser von anderen Ländern atomare Zurückhaltung oder Abrüstung verlange, es sei Zeit, die Atompolitik den neuen Umständen anzupassen, forderte Claes in einem Rundfunkinterview:

"Diese sogenannten taktischen Nuklearwaffen in Europa haben überhaupt keinen politischen und militärischen Sinn mehr, und das gilt auch für die Waffen bei uns in Kleine Brogel, das liegt schließlich mitten in Europa."
Bis zu 20 taktische Nuklearwaffen sollen noch auf dem belgischen Fliegerhorst Kleine Brogel stationiert sein, etwa eine knappe Stunde vom deutschen Niederrhein entfernt. Aufbewahrt sind die Bomben vom Typ B-61 in speziell gesicherten Magazinen im Boden unter Flugzeugschutzbauten. Wobei Sicherheit manchmal relativ ist: Ende Januar schafften es sechs Friedensaktivisten über den Zaun der Militärbasis. Sie konnten eine Stunde lang ungestört über die Basis mit den Nuklearwaffen spazieren, bis ein Wachsoldat auf sie aufmerksam wurde- ihren Film stellten sie anschließend ins Internet. Die Aktivisten gehörten zu den sogenannten Bomspotters, Bombenbeobachter, die seit Jahren vor den Absperrgittern des belgischen Fliegerhorst demonstrieren.

Doch zu den Mahnwachen, Chortreffen oder Demonstrationen an der Militärbasis kommen anders als in den 80er-Jahren nur noch wenige Belgier, bedauert der grüne Europaabgeordnete Philippe Lamberts:

"Einige Gruppen aus der Friedensbewegung demonstrieren noch regelmäßig an den Absperrungen an Kleine Brogel, aber eine Massenbewegung gibt es nicht mehr. Allerdings ist sich die politische Klasse heute einig, dass es wirklich keine Rechtfertigung mehr gibt für solche Waffen."

Trotzdem hat die belgische Regierung länger als andere geschwiegen über die Zukunft der Atomwaffen im eigenen Land. Erst die Forderung von Bundesaußenminister Westerwelle und der Aufruf der belgischen Elder Statesmen hat Belgiens Premierminister Yves Leterme dazu veranlasst, Stellung zu beziehen. Auch Leterme tritt nun für einen Abzug der taktischen Nuklearwaffen aus Westeuropa ein. Der Grüne Philippe Lamberts erklärt das lange Zögern mit der kollektiven Psyche belgischer Regierungen:

"In der belgischen Regierung und ganz besonders bei den Christdemokraten gilt die Maxime, dass man die Gefühle der Amerikaner nicht verletzen darf. Natürlich handelt es sich nur noch um symbolische Waffen, aber es sind Nuklearbomben, und damit sind es trotzdem starke Symbole. Eine Aufforderung an die USA, diese abzuziehen, wäre aus der Sicht der Regierung ein Verhalten gewesen, das eines guten Alliierten unwürdig ist."

 



23.04.2010 · 09:10 Uhr
US-Präsident Barack Obama und der türkische Präsident Abdullah Gül
(Bild: AP) US-Präsident Barack Obama und der türkische Präsident Abdullah Gül (Bild: AP)

"Atomwaffen wollen wir in unserer Region nicht haben" > hören

Sendereihe: "Nukleare Teilhabe adé?", Teil 5

Von Gunnar Köhne

Dass auf Incirlik auch 90 Atomwaffen gelagert sind, deren Sprengkraft der von 1000 Hiroshima-Bomben entspricht, wird weder von den USA noch von Ankara offiziell bestätigt - gilt aber als offenes Geheimnis.

Die Rainbow Warrior hat am europäischen Bosporus-Ufer festgemacht. Der bunt bemalte Dreimaster, Flaggschiff der Umweltorganisation Greenpeace, ist nach Istanbul gekommen, um den hiesigen Protest gegen den geplanten Bau des ersten Atomreaktors in der Nähe der Schwarzmeerstadt Sinop zu unterstützen.

"Für eine Atomfreie Türkei" steht auf einem Banner am Bug des Schiffes. Damit ist auch noch ein anderes Atomproblem gemeint, erklärt Hilal Atici von Greenpeace Türkei:

"Auf türkischem Boden befinden sich derzeit 90 gefechtsbereite Atomsprengköpfe, und zwar auf der amerikanischen Luftwaffenbasis Incirlik im Süden. Unser Nachbarland Griechenland hat den USA untersagt, Atomwaffen in ihr Land zu bringen. Wir fordern unsere Regierung auf, das Gleiche zu tun. Wir wollen nicht, dass von unserem Boden aus andere mit Atomwaffen bedroht werden. Und wir wollen auch nicht zur Zielscheibe werden wegen dieser Waffen."

Der Stützpunkt Incirlik in der Nähe der südtürkischen Stadt Adana ist für das US-Militär ein wichtiges Drehkreuz für die Versorgung seiner Truppen im Irak und in Afghanistan. Im Irakkrieg 2003 untersagte die türkische Regierung die Nutzung der Flugbasis für Angriffe im Nachbarland - sie wollte sich auch nicht indirekt an den Kampfeinsätzen beteiligen. Dass auf Incirlik auch 90 Atomwaffen gelagert sind, deren Sprengkraft der von 1000 Hiroshima-Bomben entspricht, wird weder von den USA noch von Ankara offiziell bestätigt - gilt aber als offenes Geheimnis. Die Stationierung dieser Waffen ist Teil des NATO-Konzepts der sogenannten "nuklearen Teilhabe" - selbst wenn die Waffen nur auf Befehl der US-Führung einsatzbereit gemacht werden können.

Die Mehrheit der Türken lehnt die Anwesenheit dieser Waffen ab. Greenpeace Türkei gab vor sechs Jahren eine Umfrage in Auftrag, in der mehr als die Hälfte der Befragten äußerte, dass sie der Stationierung von Atomwaffen in der Türkei "überhaupt nicht" zustimmen. 72 Prozent sprachen sich sogar für eine atomwaffenfreie Türkei aus. Anlässlich des heftigen Streits über das iranische Atomprogramm hat Regierungschef Tayyip Erdogan diese Stimmung aufgegriffen. Seit Kurzem setzt er sich für einen atomwaffenfreien Nahen Osten ein.

"Jeder sollte das Recht haben, Atomenergie zu besitzen. Aber Atomwaffen wollen wir in unserer Region nicht haben. Nun gibt es aber bereits Atomwaffen in unserer Region. Dieses Land wird aber nicht kritisiert."

Damit ist Israel gemeint - immer wieder weist die türkische Regierung darauf hin, dass man nicht von Irans Atomplänen reden und von Israels Atombewaffnung schweigen könne. Ob Erdogans Vision eines atomwaffenfreien Nahen Ostens auch die Atomsprengköpfe von Incirlik mit einbezieht, bleibt unklar, weil sich weder Washington noch Ankara zu deren Existenz offiziell äußern wollen. Festzustehen scheint dagegen, dass die Türkei selbst in die Atomtechnologie einsteigen will. Nach zahllosen Anläufen in den vergangenen zehn Jahren soll Russland das erste Atomkraftwerk nahe der Stadt Sinop errichten. Hilal Atici von Greenpeace:

"In der Region raufen sich die Anbieter von Atomkraftwerken um Aufträge. Die Russen bauen im Iran, die Franzosen in Marokko. Und jetzt sagt die Türkei: Ich will auch zu den Atomländern gehören. Aber wir haben schon vor zehn Jahren den Bau eines AKWs an der türkischen Mittelmeerküste gestoppt. Mithilfe der Menschen von Sinop wird uns das auch bei diesen Plänen gelingen."
 
Ankündigungen (siehe: Aufrufe und Einladungen)  
  Zur Zeit sind Soldaten der Bundeswehr in folgenden Ländern im Einsatz:

Kosovo, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Afghanistan, Usbekistan ,Sudan
Horn von Afrika (Djibouti) und vor den Küsten Libanons und Somalias

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Zahlreiche Werbetermine der Bundeswehr findet ihr unter:

www.kehrt-marsch.de

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