Der junge Mann zeigte, wie er dachte. Die Haare kurzgeschoren, die Füße stramm in Springerstiefel geschnürt und die rechte Hand mit einer unübersehbaren rechtsradikalen Tätowierung verziert, saß er in der Berliner Freiwilligen-Annahmestelle dem Psychologen Peter-Michael Kocielski gegenüber und bewarb sich um Einstellung als Zeitsoldat bei der Bundeswehr.
Stolz erzählte der 20jährige Skinhead von seinen Erfahrungen im Kampf gegen Türken in West-Berlin und versprach, seinem deutschen Vaterland mit derselben Tapferkeit zu dienen.
Das war''s. Der Kahlkopf wurde abgelehnt. "Der Mann", sagt Kocielski, "war richtig verwundert darüber, daß die Bundeswehr ihn nicht wollte."
Die Militärs passen neuerdings auf. Allzugern marschieren Deutschlands junge Rechte in Kasernen, um sich auf Zack bringen zu lassen.
Bewerber "aus dem rechten Spektrum" hätten 1993 "verstärkt" versucht, in der Bundeswehr unterzukommen, warnte der Wehrbeauftragte Alfred Biehle vor wenigen Wochen. In der letzten Zeit häufen sich rechtsradikale Auftritte von Bundeswehrsoldaten.
Im brandenburgischen Karow fiel ein Rekrut mit einem T-Shirt auf, das mit dem Wörtern "Blut-Ehre" bedruckt war. Im westfälischen Höxter grölte ein Wehrdienstleistender "Happy birthday, dear Adolf". In Hemer bei Dortmund schwenkte ein Panzerschütze im Schlafsaal die Reichskriegsflagge.
Die Justiz registriert auch weitaus ernstere Zwischenfälle: *Im niedersächsischen Munster brüllten im Februar vier Gefreite und ein Panzergrenadier (* In der Freiwilligen-Annahmestelle Nord ) (in Hannover. ) vor einer Gaststätte "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" und griffen vier Ausländer an. Dann schlugen sie drei Offiziere in Zivil zusammen, welche die Ausländer verteidigen wollten; *vorvergangene Woche nahm die brandenburgische Polizei einen 33jährigen Unteroffizier fest, der unter dem Namen "Dragon" in Prenzlau eine hochgerüstete sogenannte Wehrsportgruppe aufgebaut hatte; *unter Verdacht stehen Soldaten des Wachbataillons, das antritt, um Staatsgästen militärische Ehren zu erweisen. Sie sollen vor Pfingsten in einem Siegburger Linienbus Naziparolen gebrüllt haben, ein Fahrgast bekam Schläge. Die Folge: Das gesamte Bataillon muß jetzt "Schindlers Liste" sehen.
Der Militärische Abschirmdienst schätzt die Zahl der Soldaten und Zivilisten in der Bundeswehr, die einer rechtsextremen Partei angehören, auf "100, inklusive 10 bis 15 Republikaner-Funktionären" ein. Das wäre nicht einmal ein halbes Promille der Bundeswehrangehörigen.
Doch der rechte Ungeist ist in der Truppe offenbar weitaus verbreiteter. "Je geringer die Distanz zu rechtsextremen Positionen, desto größer ist die Affinität zu Streitkräften", hat Biehle entdeckt.
Zu ähnlichen Einsichten kommen Soziologen der Bundeswehr. Die Armee, analysiert das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr (Sowi) in München in einer Studie, sei "in erster Linie für die jungen Männer attraktiv, die man als Modernisierungsverlierer charakterisieren könnte". Diese Heranwachsenden, die "mit den Anforderungen der Gesellschaft nicht zurechtkommen" und zum Rechtsextremismus neigen, sähen ihre eigenen Wertvorstellungen beim Bund "noch am ehesten als realisierbar an".
Fazit der Sozialforscher: Für die Bundeswehr sei "höchste Wachsamkeit geboten", weil sie "zunehmend für junge Männer attraktiv ist, die sich den demokratischen Prinzipien und Werten kaum oder gar nicht verpflichtet fühlen".
Vor dem Feind im Innern hatte Generalinspekteur Klaus Naumann die Kommandeure schon bei seinem Amtsantritt im Herbst 1991 gewarnt: Mit "radikalen und ausländerfeindlichen Parolen" seien Soldaten dabei, das "gute Ansehen der Bundeswehr im In- und Ausland" zu ramponieren.
Anfang Mai legte er im "Generalinspekteursbrief I/94" nach. Die Soldaten sollten "dem Extremismus in unserem Lande und der ihn begleitenden Gewalt, dem Haß und der Intoleranz gegenüber Minderheiten mit Entschlossenheit entgegenwirken".
In Bewerbungsgesprächen versuchen Offiziere und Psychologen, Neonazis unter den Freiwilligen auszusieben. Doch selten erwischen sie einen.
In der Freiwilligen-Annahmestelle Nord der Bundeswehr in Hannover etwa wurden im vergangenen Jahr 4300 Männer geprüft. "Keine zehn", sagt Winfried Jungius, der stellvertretende Kommandeur, seien wegen offenkundiger rechtsextremistischer Ansichten abgelehnt worden. Tatsächlich, mutmaßen Experten, ist die Quote der Rechtsradikalen höher.
Die Führungsstäbler im Verteidigungsministerium haben ein Täterprofil der Soldaten gezeichnet, die bei rechtsradikalen Aktionen gestellt wurden: 60 Prozent sind Hauptschüler mit und ohne Abschluß, fast allen wurden schlechte soldatische Leistungen bescheinigt. Die meisten stammen aus den neuen Bundesländern.
Wer als Rechtsextremist auffällt, wird zumeist schnell und bisweilen rigide bestraft. "Einmal Heil Hitler reicht bei einem Unteroffizier für die fristlose Entlassung", sagt Oberstleutnant Christoph Berewinkel, im Bonner Führungsstab der Streitkräfte für die soldatische Ordnung im Heer zuständig. Ein Leutnant, der vor Jahresfrist auf dem niedersächsischen Truppenübungsplatz Bergen während einer Schießpause meinte, Ausländer gehörten "an die Wand geklatscht", sei sofort versetzt und disziplinarisch bestraft worden.
Weitaus schwieriger ist es für die Vorgesetzten, auf subtile Formen des Rechtsextremismus zu reagieren: "Ist die lauthals vorgetragene Forderung nach Abschaffung des Asylrechts durch die Meinungsfreiheit gedeckt oder nicht?" fragt sich Hauptmann Thomas Hahs, 32, Chef der 3. Kompanie des Panzergrenadierbataillons in Hamburg-Fischbek.
Ausbilder Hahs sieht in der Truppe einen "latenten Rechtsradikalismus, dessen wir in der Bundeswehr nicht Herr werden können". Im wöchentlichen Politikunterricht versucht der Hauptmann sein Bestes: "Den Leuten klarmachen, wie sie sich an Stelle der Opfer fühlen würden."
Der ganze Unterricht sei vergebliche Mühe, warnt Helmuth Prieß, Sprecher des Darmstädter Signals, einer Vereinigung von 200 kritischen Offizieren und Unteroffizieren. Der Ungeist in der Truppe werde in Wahrheit noch befördert von der "anhaltend antidemokratischen Traditionspflege" bei der Bundeswehr.
Immer noch, so Prieß, gebe es Kasernen, die nach führertreuen Nazisoldaten benannt seien. Immer noch komme es vor, daß die Reichskriegsflagge, ein Symbol der Rechtsradikalen, auf Stuben geduldet werde. Selbst in der Münchener Offiziersschule habe die Fahne gehangen.
Tatsächlich können Jungrechte sich Bestätigung sogar in der Bundeswehrpostille Informationen für die Truppe holen, die in einer Auflage von 55 000 Exemplaren in Kasernen an Rekruten, Berufs- und Zeitsoldaten verteilt wird. In dem Blatt findet sich beispielsweise ein Aufsatz von Clemens Range, auch Autor der deutschtümelnden Zeitschrift Mut. Der läßt sich über eine "drohende Völkerwanderung" aus.
Der Rep-Funktionär Reinhard Willnow, 49, darf sich ebenfalls um die rechte Gesinnung seiner Kameraden kümmern. An der Bremer Bundeswehrfachschule lehrt er Zeitsoldaten Geschichte und Politik.
Die Militärs auf der Hardthöhe zeigen sich gegenüber dem Lehrer Willnow machtlos: "Er ärgert uns sehr, aber machen können wir nichts, weil die Republikaner nun mal keine verbotene Partei sind." Y
* In der Freiwilligen-Annahmestelle Nord in Hannover.