Polizeieinsatz aus der Kirche drängen. Genauso erging es einer Gruppe, die zu Beginn des Konzertes unter Rufen von Parolen, kleine Flugzettel ins Publikum warf.
Die Polizei nahm vor der Kirche 16 Personen mit dem Vorwurf des Hausfriedens-bruchs, zum Teil brutal, fest.
Sowohl das Konzert der Bundeswehr als auch das Vorgehen von Kirchenvertretern und Polizei lösten bundesweiten Protest aus.
Die Pastorin der Marktkirche, Hanna Kreisel-Liebermann, bekundete anschließend Interesse an einem Gespräch mit den Protestierenden. Für uns ist die Zusammenarbeit der Kirche mit dem Militär jedoch nichts, das im Hinterzimmer abgehandelt werden könnte, sondern ein Thema, das nach einer öffentlichen Auseinandersetzung verlangt – gerade angesichts der aktuellen und angekündigten Kriegseinsätze der 1.Panzerdivison.
Deshalb war für uns ein öffentlicher Rahmen die Vorraussetzung für ein inhaltliches Gespräch. Dieses fand am 4. März 2008 unter dem Titel „Bundeswehr in der Kirche – Ein Konzert und seine Folgen“ im Pavillon statt.
Die Podiumsdiskussion an diesem Dienstag, im Pavillon war mit ca. 200 ZuschauerInnen sehr gut besucht. Die eher ungewöhnliche Zusammensetzung der auf dem Podium Diskutierenden versprach allerdings auch einen spannenden und kurzweiligen Abend.
Auf der einen Seite VertreterInnen der Marktkirche Stadtsuperintendent Puschmann, die Pastorin der Marktkirche Fr. Kreisel-Liebermann und das Mitglied des Kirchenvorstands Fr. Sjörstedt-Hellmut und auf der Seite der antimilitaristischen DemonstrantInnen, VertreterInnen der Roten Aktion Kornstr.(RAK), der Antimilitaristischen Initiative Hannover und des Friedensbüros.
Die Veranstaltung war inhaltlich in drei Blöcke unterteilt.
Im ersten Block ging es um die Transformation der Bundeswehr, die Rolle der 1. Panzerdivision dabei und die Bedeutung des "Schulterschlusses" (Zitat Generalmajor Langheld der 1. Panzerdivision) mit der Kirche.
Stadtsuperintendent Puschmann zog sich in seinem Beitrag auf die Position zurück die Bundeswehr sei Teil der Stadtgesellschaft und die Soldaten Staatsbürger in Uniform für die er die Pflicht habe von "Christ zu Christ" Seelsorge zu betreiben. Außerdem sei die Kirche der falsche Adressat für Kritik an der Bundeswehr, schließlich würde der Bundestag oder das Bundesverfassungsgericht über Auslandseinsätze entscheiden. Dafür handelte er sich aus dem Publikum den Vorwurf der Naivität und der Ermöglichung des Missbrauchs der Kirche für Propagandaveranstaltungen der Bundeswehr ein.
Der Vertreter der RAK erklärte in seinem Beitrag, dass die Bundeswehr sich seit Jahren auf dem Weg zu einer Armee im Einsatz befindet um an dem weltweiten Wettlauf um die Aufteilung von Rohstoffen und Märkten teilzuhaben. Dabei spielt die 1. Panzerdivion Hannover, die durch die Transformation von 10.000 auf 19.000 SoldatInnen aufgestockt und zur Division Eingreifkräfte wurde eine herausragende Rolle. Sie stellt die Kampfverbände (z.B. demnächst in Afghanistan) aber auch die Fenneck-Spührpanzer, die beim G8 die anreisenden DemonstrantInnen auf den Autobahnen überwachten.
Die Zusammenarbeit der Kirche mit dem Militär verschafft der kriegsführenden Bundeswehr vermeintlich Legitimität. So soll deren Akzeptanz in der Bevölkerung erhöht werden – denn ohne diese ist kein Krieg führbar.
Im zweiten Diskussionsblock ging es um die Aktion an sich. Während die Pastorin der Marktkirche betonte sie könne das Anliegen der Demonstrierenden nachvollziehen lehne aber die gewählten Mittel ab und sie hätte sich ein Absprache mit dem Kirchenvorstand gewünscht, erklärte die Vertreterin des Friedensbüros, dass es um die Skandalisierung des Schulterschlusses zwischen der Bundeswehr und der Kirche gegangen sei. Ein Ziel, das mit vorherigen Absprachen oder einfach nur Flugblätter verteilen nicht erreicht worden wäre. Sie wertete die groß aufgemachte Presseberichterstattung aber auch die nun in ganggekommende Diskussion als Bestätigung, dass das Vorgehen der Demonstrierenden richtig war.
Im dritten Inhaltsblock ging es um die Folgen der Aktion und die Repression durch die Polizei. Der Vertreter der Antimilitaristischen Initiative Hannover fasste zunächst einmal die erfahrene Repression zusammen: gewaltsame Räumung der Kirche, Festnahmen, Erkennungsdienstliche Behandlungen, Misshandlungen und Drohungen durch die Polizei, 7-stündiges Gewahrsam...
Des Weiteren erklärte er Einschüchterung und Abschreckung vor Wiederholung sei der Zweck der polizeilichen Repression. Er forderte Stadtsuperintendent Puschmann, dessen Hausfriedensbruchsanzeigen die Repressionsmaschinerie erst in Gang gesetzt hat, auf sie endlich wieder zurückzuziehen und so weiteres Unrecht zu verhindern.
Im darauf folgenden Beitrag des Kirchenvorstandsmitglieds Fr. Sjörstedt-Hellmut wurde offensichtlich, dass der Kirchenvorstand mit dem Polizeieinsatz nicht einverstanden war und im Gegensatz zu Stadtsuperintendent Puschmann eine Rücknahme der Anzeigen befürwortet.
Schlussendlich bleibt zu sagen, dass wir unser Ziel, den Druck auf die Kirche zu erhöhen die Zusammenarbeit mit der kriegsführenden 1. Panzerdivision einzustellen und die Anzeigen zurückzuziehen erreicht haben. Somit sind wir auch unserem Ziel des Unterlaufens der Kriegsfähigkeit der Bundeswehr ein kleines Stückchen näher gekommen. Bleibt abzuwarten welche Entscheidungen der Marktkirchenvorstand bezüglich dieser beiden Fragen fällt. Falls die Anzeigen nicht zurückgezogen werden und die Zusammenarbeit mit der 1. Panzerdivision weiter läuft, wird es mit Sicherheit auch weiterhin Protestaktionen geben.
Auch sonst bleibt noch viel zu tun um die Bundeswehr kriegsunfähig zu machen. Deshalb werden wir z.B. am morgigen Freitag ab 13:30 Uhr gegen das 25 jährige Jubiläum der Patenschaft der 1. Panzerdivision mit der Stadt Hannover vor dem Rathaus demonstrieren und am 22. August ihr Sommerbiwak vermiesen.
Die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) schreib zu der Podiumsdiskussion:
Protest in Kirche bleibt Streitthema
Demonstranten kündigen weitere Störaktionen an
Von Jan Sedelies
Auch drei Monate nach der Störung des Adventskonzerts des Musikkorps der 1. Panzerdivision in der Marktkirche durch Bundeswehrgegner sorgt der Vorfall für Zündstoff. Das zeigte sich am Dienstagabend bei einer Diskussionsveranstaltung im Raschplatz-Pavillon mit rund 250 Teilnehmern, bei der Vertreter der Kirche und der Demonstranten über das Verhältnis von Bundeswehr und Kirche stritten. Eine Annäherung der gegensätzlichen Positionen gelang in den zweieinhalb Stunden Diskussion nicht: Während die Protestgruppen die Bundeswehr grundsätzlich aus Gotteshäusern verbannen wollen, plädierte die kirchliche Seite dafür, je nach dem Charakter möglicher Veranstaltungen der Bundeswehr abzuwägen.
Die Kirche sei der falsche Adressat für Kritik an der Bundeswehr, betonte Stadtsuperintendent Wolfgang Puschmann, der im November nach der Störung des Benefizkonzerts für Straßenkinder durch 15 Demonstranten aus dem autonomen Spektrum und dem Friedensbüro die Polizei gerufen und Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erstattet hatte. „Ich verstehe ja Ihr Anliegen“, sagte Puschmann zu den Vertretern der Demonstranten. „Aber dann müssen Sie sich an die Politik wenden.“ Die Anzeigen gegen die Demonstranten will Puschmann aufrechterhalten: „Wenn ich zulasse, dass Störer straffrei Veranstaltungen abbrechen können, kann ich keine Veranstaltung mehr machen.“
Darüber, ob auch in Zukunft Konzerte der Bundeswehr in der Marktkirche stattfinden sollen, herrschte im Pavillon Uneinigkeit zwischen Puschmann und den Vertretern der Gemeinde. Der Stadtsuperintendent hielt daran fest, Benefizveranstaltungen im Namen der Seelsorge generell durchzuführen. Dagegen sprachen sich Marktkirchenpastorin Hanna Kreisel-Liebermann und Kerstin Sjöstedt-Hellmuth, Mitglied des Kirchenvorstandes, dafür aus, künftig bei jeder Veranstaltung genau abzuwägen. „Wir gehen davon aus, dass sich möglicherweise etwas ändern wird und werden intensiv darüber in der Gemeinde diskutieren“, sagte Sjöstedt-Hellmuth. „Die Aktion hat uns gezeigt, wie sehr wir uns wieder mit dem Thema Frieden beschäftigen müssen“, meinte Kreisel-Liebermann.
Die Vertreter der Demonstranten verteidigten am Dienstag die Mittel ihres Protestes. „Ziel war es, den Schulterschluss der Bundeswehr mit der Kirche zu skandalisieren“, sagte Lukas Ladewig von der Antimilitaristischen Initiative Hannover. Er forderte Puschmann auf, die Anzeigen als „Zeichen der Versöhnung“ zurückzunehmen. Auch Dirk Wittenberg von der Roten Aktion Kornstraße kritisierte vor allem das Verhalten Puschmanns: „Sie wollen doch nur Vergeltung, weil Sie sich als Person und Institution angegriffen gefühlt haben.“ Ladewig kündigte im Pavillon weitere Aktionen gegen die Bundeswehr an. Schon morgen soll es eine Kundgebung gegen die Feierlichkeiten im Rathaus aus Anlass der 25-jährigen Patenschaft der Stadt Hannover für die 1. Panzerdivision geben.