"Neues Jahr - neuer Weg" Unter diesem Motto wanderten einige dutzend gegen eine militärische Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide ("Bombodrom").
Im Sommer 2009 hatte die Bundeswehr verkündet, auf einen Bombenübungsplatz in Nordbrandenburg zu verzichten. Das war und ist für große Teile der Bewegung für eine "Freie Heide" nicht genug. Daher demonstrierten zwei Neujahrswanderungen am vergangenen Freitag, dem 1.1.2010. Rund 150 Bombodrom-Gegner_innen forderten eine zivile Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide. -
«Wir wollen, dass das Gelände militärfrei wird. Wir sind weiterhin skeptisch, dass die Bundeswehr die Heide freigibt», sagte eine Sprecherin des Aktionsbündnisses «Rosa Heide - Gegen Bombodrom und Militarisierung» ( http://www.g8andwar.de ). Die Sprecherin weiter: «Polizei und Feldjäger haben uns verboten, das Bombodrom zu durchqueren, wir sind aber dennoch mit 50 Teilnehmern über das Gelände gelaufen», sagte die Sprecherin weiter.
Die Neujahrswanderung der Rosa Heide begann im Dörfchen Neuglienicke und führte an die Platzgrenze - mehr als dieser knappe Kilometer war von der mit 6 bis 8 Kleinbussen anwesenden Polizei verboten worden. Dort jedoch entschlossen sich nach Abschlusskundgebung und Ende der Demo fast alle über, unter und neben dem Schlagbaum vorbei auf das Gelände zu gehen und die Neujahrswanderung auf eigene Faust gemeinsam fortzusetzen. Mit dabei ein repräsentativer Querschnitt aus der Bevölkerung, die sich seit mehr als 18 Jahren gegen Militär und Kriegsübungen "hier und anderswo" (so war auf einem Transparent zu lesen) wehrt: Alte, Junge, Leute aus der direkten Anliegerschaft, ein Pfarrer aus der Region, Familien mit Kindern und Schlitten, Hunden, Städter aus den Kleinstädten in der Umgebung und den größeren Städten (Hamburg, Rostock, Berlin) und Einzelne oder kleine Delegationen von den unterschiedlichen Inititativen, denen die zivile Nutzung des Bombodroms ein Anliegen ist (vgl. die diversen Links im "Portal für eine FREIeHEIDe"
http://www.freieheide-nb.de ), z.B. Undercover-Clowns (
http://clownsfreiheide.de.tl ), welche vom "Freien Himmel" (Bombodromgegner_innen aus Mecklenburg-Vorpommern) und von der BI "Offene Heide" (
http://www.offeneheide.de ), die sich nördlich von Magdeburg gegen den größten Panzerübungsplatz der BW wehren, auf dem Rheinmetall im hochmodernen sog. GÜZ ("Gefechtsübungszentrum") die Bodentruppen auf ihre Kriegseinsätze in aller Welt vorbereitet.
Die 10 Kilometer über den Platz führten von Neuglienicke östlich der umkämpften Heide nach Gadow im Westen. Letztlich wanderten etwa 20 Leute die ganze Strecke. Eine zweite Gruppe wanderte ein Stück auf den Platz und kehrte dann um und erreichten auf einem schönen Rundweg durch die Winterheide wieder Neuglienicke. Der Weg hinüber nach Gadow über die schneebedeckte Heide führte über einen gut ausgebauten Weg, den viele in der Region, auch Parteien und Vereine, als offenen Wanderweg und ersten Schritt hin zu einer zivilen Nutzung der Heide fordern.
Die Behauptungen der BW ("Lebensgefahr!") erwiesen sich wiedereinmal als Lüge, mit der sie der Bevölkerung Angst einjagen und sie vom Gelände fernhalten will: Der solide eingeschotterte Weg führte immer wieder an großen Haufen von Feldsteinen und Betonplattenbruch vorbei - untrügliche Zeichen für die schweren Räumarbeiten, die stattgefunden haben müssen, um den Wegesbelag zu erneuern. Nach solchen Arbeiten können weder auf noch unter dem Weg gefährliche Munitionsrückstände zurückgeblieben sein.
Die Risikolosigkeit selbst beim Befahren es Weges bewiesen die Feldjäger selbst: Die gesamte Wegstrecke fuhr ein LKW der Bundeswehr in einigen hundert Metern Entfernung vorweg, hielt immer wieder an, ließ die Wandergruppe bis auf hundert Meter herankommen, um dann hin und wieder einen Warnhinweis per Lautsprecher durchzugeben, aufzusitzen und wieder etwas Abstand zu gewinnen.
Schließlich kehrten alle wohlbehalten und nicht einmal nach ihren Personalien befragt aus dem Gelände zurück. Die Sichelschmiede (
http://sichelschmiede.org ) stellte mit einem PKW-Shuttle das hin und her zwischen Anfangs- und Endpunkt der langen Wanderstrecke sicher. Und schließlich kehrten alle in der Dorfgaststätte in Gadow ein, wo Solidaritätskuchen von der "Pro Heide"-Wanderung, heißer Kaffee und Tee warteten. Dort konnten wir Neuigkeiten über unsere beiden Wanderungen austauschen.
Die Unternehmervereinigung «ProHeide» (
http://www.proheide.de ) hatte zeitgleich eine zweite Neujahrswanderung unter dem Motto «Die Heide gehört uns» organisiert: Weitere etwa 100 Bombodrom-Gegner hatten ihre Demonstration an der Mahnsäule bei Neu Lutterow zwischen Flecken Zechlin und Schweinrich begonnen, die beiden Wanderungen standen miteinander telefonisch in Verbindung. Per Lautsprecher tauschten sie Grüße aus und verkündeten ihr gemeinsames Anliegen. Beide Initiativen forderten, dass sich die Bundeswehr endgültig aus der Heide an der Landesgrenze von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zurückzieht. Der damalige Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) habe zwar Anfang Juli 2009 unter dem Eindruck gerichtlicher Niederlagen die Pläne für einen Luft-Boden-Schießplatz in der Heide aufgegeben, sagte ein Sprecher von «ProHeide». Seitdem zögere die Bundesregierung jedoch, auf die militärische Nutzung zu verzichten und das Gelände für zivile Zwecke freizugeben.
Zwei Wochen vor Ende des Jahres erst hatte der Brandenburger Landtag in einer Erklärung einen endgültigen Verzicht auf eine militärische Nutzung der Heide verlangt. Das Parlament hatte den Bund aufgefordert, zeitnah eine Entscheidung zu treffen. Auch müsse sich die Bundesregierung zur Altlastenbeseitigung auf dem ehemaligen sowjetischen Truppenübungsplatz bekennen. Die CDU hatte den Antrag abgelehnt und die FDP, die ihn zwar als „grundsätzlich begrüßenswert“ bezeichnete, hatte sich enthalten.
Mit der zivilen Nutzung müssen wir offensichtlich selbst anfangen und uns die Heide immer wieder zu nutze machen, mal hier, mal dort, mal zu diesem, mal zu jenem Zweck. Und das tun auch ganz viele Menschen aus der Region und von sonstwo - schon immer. Allerdings selten öffentlich und kollektiv. Aber nur so bleibt das Thema aktuell, wie wir es bei unserer Neujahrswanderung auf den Punkt zu bringen versucht haben: "Wir überlassen der Bundeswehr nicht die Freie Heide, wir erwandern sie uns. Bundeswehr raus aus der Freien Heide, aus Afghanistan und allen Kriegsgebieten!"