KRIEG UND MEDIZIN
Eine Ausstellung der Wellcome Collection, London
und des Deutschen Hygiene-Museums
4. April bis 9. August 2009
Krieg und Medizin – ein widersprüchlicheres Thema ist kaum denkbar: Auf der einen Seite die Zerstörungskraft und das menschliche Elend des Krieges, auf der anderen das Selbstverständnis der Medizin, Menschen zu heilen und gesund zu erhalten. Wie erleben Ärzte und Krankenschwestern, aber auch Soldaten und Zivilisten diesen noch kaum erforschten ethischen Konflikt? Welche Erfahrungen machen sie mit Verletzungen und Tod, mit ihrer Hilflosigkeit und Verzweiflung, aber auch ihrem Mut und ihrer Bereitschaft, anderen zu helfen? Diese ganz persönlichen Perspektiven bilden das Zentrum der Ausstellung "Krieg und Medizin", einem Gemeinschaftsprojekt der Wellcome Collection, London, und des Deutschen Hygiene-Museums, Dresden.
Ausstellungsansicht aus London
In welchem spannungsvollen Wechselverhältnis sich Krieg und Medizin bis heute befinden, zeigt die Ausstellung anhand von historischen und zeitgenössischen Exponaten und Dokumenten, von Foto- und Filmmaterial, aber auch anhand von Arbeiten bekannter Künstler wie Max Beckmann, Georg Grosz oder Conrad Felixmüller. Sie spannt einen zeitlichen Bogen von den aktuellen Konflikten in Afghanistan oder im Irak bis zurück zur humanitären Katastrophe des Krimkrieges. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts starben mehr Soldaten an den Folgen einer unzureichenden medizinischen Versorgung als auf den Schlachtfeldern. Sowohl die Kriegsführung als auch die Rolle der Medizin haben sich seitdem stark gewandelt. Angesichts der fortschreitenden Technisierung des Krieges gewann die Militärmedizin auch strategisch an Bedeutung. Während die neuartigen Waffensysteme den Soldaten die furchtbarsten Verletzungen zufügten, versuchte die Medizin parallel dazu mit wirkungsvolleren Behandlungsmethoden Schritt zu halten. Zugleich musste sie ihr Handlungsfeld immer stärker auf die Zivilbevölkerung ausweiten, die heute zunehmend direkt oder indirekt von den Kampfhandlungen betroffen ist.
In welchen ethischen Zwängen steht eine Medizin, die Leben rettet und Leiden lindert und die zugleich zu einem maßgeblichen Bestandteil des militärischen Apparats geworden ist? Wie vereinbaren wir das Recht auf militärische Verteidigung mit der humanitären Pflicht, Kriegsopfer auf dem bestmöglichen medizinischen Niveau zu versorgen? Diesem beklemmenden moralischen Dilemma nähert sich die Ausstellung aus kulturwissenschaftlicher und medizinhistorischer Perspektive und ermöglicht den Besuchern so eine informierte und emotionale Auseinandersetzung mit den Schicksalen und Motiven der handelnden Personen. Auch in Deutschland hat dieses Thema aufgrund der Auslandseinsätze der Bundeswehr eine bedrängende Aktualität gewonnen, der sich die Betroffenen, aber auch die Gesellschaft insgesamt stellen müssen.
Vom 22. November 2008 bis zum 15. Februar 2009 war die Ausstellung unter dem Titel War and Medicine. 150 years of life and loss. in der Wellcome Collection in London zu sehen. Nähere Informationen über die Präsentation in London finden Sie unter: www.wellcomecollection.org
A. E. Forringer: The Greatest Mother in the World,
1918, Courtesy Collection Imperial War Museum, reproduziert mit freundlicher Genehmigung durch die British Red Cross Society
DER APPARAT
Der Krimkrieg (1853-56) und wenig später die Schlacht von Solferino, Italien, (1859) wurden von vielen Zeitgenossen als militärische und menschliche Tragödien wahrgenommen. Tausende Soldaten starben nicht nur während der Kampfhandlungen, sondern vor allem an den Folgen eines unzureichenden Sanitätswesens. Diese Katastrophen lösten bei Militärs und Medizinern einen allmählichen Bewusstseinswandel aus. Die Ausstattung der modernen Massenheere mit Nahrung, Kleidung und medizinischer Versorgung wurde nun verstärkt als eine zentrale militärische Aufgabe betrachtet. Dies hatte sowohl humanitäre als auch militärstrategische Gründe, denn nur gesunde Truppen lassen sich effektiv einsetzen. In diesem ethischen Zwiespalt bewegt sich das Verhältnis von Krieg und Medizin bis heute.
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Ausladung Verwundeter aus dem Vereins-Lazarettzug L in Heidelberg, 1914-1918 Courtesy Universitäts- und Landesbibliothek Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
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DER KÖRPER
Der Körper des Menschen stellt einen wichtigen "Rohstoff" für den Krieg dar, der durch den militärmedizinischen Apparat verwaltet wird. Das medizinische Personal steht dabei vor einer beklemmenden ethischen Tatsache: Seine Funktion besteht darin, die Soldaten zu heilen und gleichzeitig auf einen erneuten Fronteinsatz vorzubereiten, bei dem sie möglicherweise verletzt, verstümmelt oder getötet werden.
Portrait des US-Soldaten Bryan Anderson,
Foto: © Christopher Griffith
Welche Kriterien muss der Körper schon bei der Musterung erfüllen, um für den Krieg als tauglich zu gelten? Welchen allgemeinen und kriegsspezifischen Krankheiten waren und sind Soldaten bis heute ausgeliefert? Welche Verletzungen riskieren Soldaten aufgrund der Zerstörungsgewalt der modernen Kriegstechnik und wie kann die Medizin darauf reagieren? Wie kann Kriegsversehrten im späteren zivilen Leben medizinisch geholfen werden? Wie gingen und gehen Gesellschaften mit dem kriegsversehrten Körper um?
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Portrait von William Young, Henry Burland und John Connery, verwundet im Krimkrieg, um 1855, Foto: Robert Howlett und Joseph Cundall, im Auftrag von Queen Victoria, © Ihre Majestät Queen Elizabeth II. Courtesy the Royal Collection
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DIE PSYCHE
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Kinderzeichnungen aus Afghanistan, 2006-2007,
Courtesy Prof. Catherine Panter-Brick,
Durham University, Wellcome Library, London
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Im Krieg wird nicht nur der Körper misshandelt. Es treten häufig auch schwere psychische Erkrankungen auf, die durch traumatische Kriegserlebnisse ausgelöst werden. Soldaten können davon ebenso betroffen sein wie Zivilisten. In früheren Zeiten wurden solche Traumata häufig verleugnet oder tabuisiert; heute wird diesen Verletzungen der Seele jedoch große Aufmerksamkeit zuteil. Sogenannte posttraumatische Belastungsstörungen können inzwischen weit besser diagnostiziert und psychiatrisch behandelt werden als dies früher der Fall war. Den persönlichen Erfahrungsberichten von Kriegsteilnehmern und -opfern widmet die Ausstellung in der letzten Abteilung breiten Raum.
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Virtual Iraq, Computerprogramm zur Behandlung der post-traumatischen Belastungsstörung (P.T.S.D.) in den USA, 2007,
Courtesy University of Southern California
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KATALOG ZUR AUSSTELLUNG
Welche Wege und ethischen Abwege hat die Medizin beschritten, um auf die Wirkung immer differenzierterer und zerstörerischer Waffensysteme zu reagieren? Welchen Einfluss hatten diese Entwicklungen auf Medizin und Sozialpolitik in Friedenszeiten? Wissenschaftliche Essays sowie Zeitzeugenberichte von Soldaten, Ärzten, Zivilisten, Krankenschwestern und Künstlern verdeutlichen, welchen Herausforderungen die Organisatoren humanitärer Hilfe in Kriegsgebieten gegenüberstanden und welche aktuellen Aufgaben sie heute bewältigen müssen. Sie skizzieren die moralischen und ethischen Konflikte, mit denen sowohl Ärzte als auch Helfer im Krieg konfrontiert sind.
Herausgeber: Melissa Larner, James Peto und Colleen M. Schmitz für die Stiftung Deutsches Hygiene-Museum und die Wellcome Collection.
Mit Beiträgen von Joanna Bourke, Wolfgang U. Eckart, Mark Harrison und Ben Shepard.
Ca. 256 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen, Klappenbroschur, Wallstein-Verlag
ISBN 978-3-8353-0486-4. Preis: 24,90 €
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Bildungsangebote
Für Mittelschulen und Gymnasien ab Klasse 8
In alters- und zielgruppengerechten Führungen wird gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern erörtert, wie eng die Medizin mit den sich immer weiter entwickelnden Methoden der Kriegsführung verbunden ist. Die differenzierte Auseinandersetzung mit dem problematischen Verhältnis zwischen Krieg und Medizin ergänzt den Lehrplan der Fächer Geschichte, Gemeinschaftskunde, Ethik, Kunst sowie Religion und richtet sich an Mittelschul- und Gymnasialschüler ab Klassenstufe 8 sowie an Auszubildende aus medizinischen oder anderen wissenschaftlichen Berufen. Viele Dokumente in englischer Sprache tragen zur Vertiefung der Fremdsprachenkenntnisse bei.
Übersichtsführung: Krieg und Medizin
"Erst das Lazarett zeigt, was der Krieg ist", E. Remarque, 1929
Zielgruppe:
Besucherinnen und Besucher ab Klasse 8. Inhalte und Vermittlung werden nach Alter und Interessenschwerpunkten differenziert.
Veranstaltungsform:
Übersichtsführung von 60-90 min Dauer.
Einführung:
In welchem spannungsvollen Wechselverhältnis sich Krieg und Medizin bis heute befinden, zeigt diese Ausstellung der Wellcome Collection, London, und des Deutschen Hygiene-Museums anhand von historischen und zeitgenössischen Exponaten und Dokumenten, von Foto- und Filmmaterial, aber auch von Arbeiten bekannter Künstler wie Max Beckmann, Georg Grosz oder Conrad Felixmüller. Sie spannt einen zeitlichen Bogen von den aktuellen Konflikten in Afghanistan oder im Irak bis zurück zur humanitären Katastrophe des Krimkrieges.
Angesichts der fortschreitenden Technisierung des Krieges gewann die Militärmedizin auch strategisch an Bedeutung. Während die neuartigen Waffensysteme den Soldaten die furchtbarsten Verletzungen zufügten, versuchte die Medizin parallel dazu mit wirkungsvolleren Behandlungsmethoden Schritt zu halten. Zugleich musste sie ihr Handlungsfeld immer stärker auf die Zivilbevölkerung ausweiten, die heute zunehmend direkt oder indirekt von den Kampfhandlungen betroffen ist. In welchen ethischen Zwängen steht eine Medizin, die Leben rettet und Leiden lindert und die zugleich zu einem maßgeblichen Bestandteil des militärischen Apparats geworden ist? Wie vereinbaren wir das Recht auf militärische Verteidigung mit der humanitären Pflicht, Kriegsopfer auf dem bestmöglichen medizinischen Niveau zu versorgen?
Diesem beklemmenden moralischen Dilemma nähert sich die Ausstellung aus kulturwissenschaftlicher und medizinhistorischer Perspektive und ermöglicht den Besuchern so eine informierte und emotionale Auseinandersetzung mit den Schicksalen und Motiven der handelnden Personen. Auch in Deutschland hat dieses Thema aufgrund der Auslandseinsätze der Bundeswehr eine bedrängende Aktualität gewonnen, der sich die Betroffenen, aber auch die Gesellschaft insgesamt stellen müssen.