Soldaten gegen Streiks
Von Frank Brendle *
Von wegen Katastrophenschutz:
Bei der zivil-militärischen Zusammenarbeit der Bundeswehr (ZMZ) wird auch der Einsatz gegen Streikende und Demonstranten nicht ausgeschlossen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor. In allen Kreisen, kreisfreien Städten und Regierungsbezirken hat die Bundeswehr seit Januar 2007 die sogenannten ZMZ-Strukturen eingerichtet: Freiwillige Kommandos aus je zwölf Bundeswehrreservisten. Insgesamt gibt es 410 Kreis- und 31 Bezirksverbindungskommandos. Im Osten hinkt der Ist-Stand den Vorgaben noch hinterher, weil es dort zuwenig »gewachsene Strukturen« gibt, die Offiziersdienstposten sind aber bundesweit zu 80 Prozent gedeckt. Die Militärkommandos kommen zumindest nach Regierungsangaben vor Ort gut an und werden von den zivilen Katastrophenschutzstäben in ihre Arbeit integriert, regelmäßig zu Sitzungen eingeladen und verfügen nahezu vollständig über feste Büro-Infrastruktur.
Die Regierung verkauft das als harmlos: Es gehe nur darum, im Notfall schnellere Katastrophen- bzw. »Amtshilfe« zu leisten. Den Nachweis, daß es überhaupt einen Bedarf dafür gibt, bleibt sie aber schuldig, mehr als Allgemeinplätze sind der Antwort nicht zu entnehmen. Daß seit Einführung der ZMZ der Katastrophenschutz besser funktioniert, wird auch nicht behauptet.
Kritiker verweisen schon lange auf den militaristischen Kern der ZMZ-Strukturen. Brisant ist vor allem, daß die »Hilfe« der ZMZ-Soldaten praktisch keine Grenze kennt. Ihre Palette reicht von der Naturkatastrophe über den Terroranschlag bis hin zur Bewältigung von »Großereignissen«, wie etwa dem G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm oder dem NATO-Gipfel 2009 in Baden-Baden und Strasbourg.
Die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (Die Linke) wollte in der Anfrage wissen, ob Maßnahmen ergriffen würden, um auszuschließen, »daß die ZMZ-Strukturen gegen Streikende und/oder Demonstrantinnen und Demonstranten herangezogen werden«. Antwort: »Nein.« Denn die Beurteilung, ob Demonstrationen, z.B. anläßlich von Gipfeln, Anlässe für das Tätigwerden von Katastrophenschutzstäben sein können, obliege den »zuständigen Landesbehörden«. Nicht einmal Einsätze gegen Streiks im Transport-, Energie-, Gesundheitswesen und bei der Müllabfuhr will die Bundesregierung ausschließen: Dies sei »dem jeweiligen konkreten Einzelfall vorbehalten«. Zwar soll alles »im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben« ablaufen, aber diese sind bekanntlich dehnbar und sollen zudem geändert werden.
Sowohl Reservisten als auch ihre zivilen »Partner« werden in Kursen an der bundeseigenen »Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz« ideologisch auf Linie gebracht. Lernziel: »Die neue Sicherheitsstrategie Deutschlands«. Der Schwerpunkt werde »auf die drei Akteure (Bevölkerungsschutz, Polizei und Bundeswehr) und deren Vernetzung gelegt«.
Jelpke sieht ihre bisherige Skepsis gegen ZMZ voll bestätigt: »Die Bundesregierung hält sich alle Optionen für den Inlandseinsatz offen«, erklärte sie am gestrigen Antikriegstag. Die Bundeswehr niste sich bundesweit in zivilen Verwaltungsstrukturen ein und entsende gleichsam »Späher«, um die Einsatzbereitschaft von Polizei und Rettungsdiensten auszukundschaften und Lageberichte zu übermitteln. »Informationen, die bei Inlandseinsätzen unverzichtbar sind«, so Jelpke. Das Konzept der ZMZ laufe auf einen offenen Verfassungsbruch hinaus. Gegenüber jW kündigte die Abgeordnete an, eine Musteranfrage für Linksfraktionen in den Kommunen auszuarbeiten, um sich vor Ort gegen die »Militärberater« zu wehren. Ziel sei die Auflösung der ZMZ-Strukturen.
* Aus: junge Welt, 2. September 2009