"Eine Frage der Prioritätensetzung"
Militärausgaben verhindern Armutsbekämpfung
Die Staats- und Regierungschefs von 179 Ländern der Welt hatten beim Millenniumsgipfel der Vereinten Nationen im September 2000 in New York versprochen: Bis 2015 soll der Anteil der in extremer Armut lebenden Menschen an der Weltbevölkerung halbiert werden. Dieses Ziel sei jetzt in "höchster Gefahr", stellt das Bonner "Internationale Konversionszentrum" (BICC) in seinem am Dienstag veröffentlichten Jahrbuch fest. Grund dafür sei vor allem der weitere Anstieg der Militärausgaben. 2003 ist das letzte Jahr, für das bereits gesicherte Informationen vorliegen. In diesem aktuellsten Jahr lagen die deutschen Ausgaben für Entwicklungshilfe laut BICC bei 6,8 Milliarden US-Dollar, die Ausgaben für Militär dagegen bei 32 Milliarden. Während 2003 weltweit insgesamt 90 Milliarden für die Entwicklung ausgegeben wurden, waren es rund 950 Milliarden für Krieg und Waffen. So würden die USA für ihr Militär so viele Dollars ausgeben wie während der "Hochphasen" des Kalten Krieges. Der Report weist darauf hin, dass mehr als eine Milliarde Menschen von weniger als einem US-Dollar pro Tag und mehr als zwei Milliarden von weniger als zwei Dollar im Tag leben müssen.
Gebrochene Versprechen Während die Erhöhung der Entwicklungshilfe hinter den Erfordernissen und Zusagen zurückgeblieben sei, habe es gleichzeitig erhebliche Steigerungen in den Militärhaushalten gegeben, so das BICC. Die öffentliche Entwicklungshilfe habe zwischen 1999 und 2003 um zehn Milliarden US-Dollar zugelegt, die regulären Militärausgaben seien dagegen real um 28 Milliarden US-Dollar gestiegen, also fast das Dreifache. Hinzu seien Ausgaben für die Kriege in Irak und Afghanistan von weiteren mehr als 150 Milliarden US-Dollar gekommen.
"Wie während der "Hochphasen" des Kalten Krieges"
Peter Croll, Direktor des BICC, sagte, für 2004 dürfte die Summe für weltweite Rüstung bei 1000 Milliarden US-Dollar liegen. Die USA würden mittlerweile für ihr Militär so viel Geld ausgeben wie während der "Hochphasen" des Kalten Krieges. Es gebe zwar keine automatische Wechselbeziehung zwischen den Ausgaben für das Militär und für die Entwicklungshilfe, denn Staaten könnten beides parallel erhöhen oder senken. "Aber knappe öffentliche Gelder können eben nur einmal ausgeben werden - dies ist eine Frage der Prioritätensetzung."
Chancen für Milleniumsziele
Der Forschungsleiter des BICC, Michael Brzoska, sagte, Abrüstung und Konversion - also die Umwandlung ehemals militärisch genutzter Mittel für zivile Aufgaben - könnten einen wichtigen Beitrag zum Abbau der weltweiten Armut leisten. Die Forschungsergebnisse des BICC hätten belegt: "Die Wechselwirkungen zwischen Armut und Konflikten liegen auf der Hand." Durch Abrüstung und Konversion gebe es Chancen für die Umsetzung der Millenniumsziele.
Maßnahmen
Nach Ansicht von Brzoska kann diese Umwandlung in verschiedenen Bereichen staatfinden. So müssten Soldaten wieder ins zivile Leben eingegliedert werden und militärische Arsenale abgerüstet werden. Im Bereich der "Kleinwaffen" von Pistolen bis zu Maschinengewehren müssten Rüstungskontrollmaßnahmen eingeführt werden, um Mittel freizusetzen. Auch könnte ein Beitrag zur Verwirklichung der Millenniumsziele geleistet werden, wenn nach Kriegen die militärischen Kontrollorgane durch eine demokratische Verwaltung ersetzt würden.
Der Faktor Rohstoff
2004 wurden nach Angaben der Friedensforscher des BICC 25 Kriege und 17 andere bewaffnete Konflikte auf der Erde ausgetragen. Bei fast einem Drittel der Konflikte habe der "Faktor Rohstoff" eine wichtige Rolle gespielt.
Morderne Armee: kleiner aber teuerer
Durch die Modernisierung der Streitkräfte sei im Beobachtungszeitraum die Zahl der größeren Waffensysteme in den weltweiten Arsenalen um 1,6 Prozent auf rund 405.000 reduziert worden. Die Truppenstärke sei global um 3,2 Prozent auf 19,9 Millionen Personen zurückgegangen. Ein großer Teil der gestiegenen Militärausgaben sei jedoch neben den USA auf Russland, China, den Iran, Kuwait und Indien entfallen. Nur knapp die Hälfte aller Staaten habe 2003 ihre Ausgaben für Militär und Rüstung gekürzt, bedauern die Wissenschaftler des Bonner Konversionszentrums.
50 Milliaden pro Jahr um Versprechen zu halten
Nach Einschätzung der Weltbank ist eine zusätzliche Entwicklungshilfe in Höhe von etwa 50 Milliarden US-Dollar pro Jahr nötig, um die vorgegebenen Ziele für die Halbierung der Weltarmut bis 2015 zu erreichen.