Die Idee zu unserer Ausstellung »Kriegsspielzeug in Ost und West« entstand im Rahmen einer Übung am Institut für Allgemeine Pädagogik/Schwerpunkt Museumspädagogik an der Humboldt-Universität zu Berlin im Sommersemester 2005. Beide deutschen Staaten wurden zunächst als Staaten ohne Militär gegründet. Kriegsspielzeug wurde im Falle der DDR mit dem Aufbau der NVA eingeführt, in der jungen Bundesrepublik waren zunächst die Militärs der Besatzungsmächte, insbesondere der USA, Vorbild für Kriegsspielzeug.
Konzept
Die Ausstellung zeigt Spielzeug, das »konventionellen« Krieg abbildet – die gezeigten Objekte repräsentieren zeitgenössisches Militär und Krieg. Mittelalterliche Ritterspiele, Cowboy & Indianer, Science-Fiction- und Fantasy-Spielzeug werden hier nicht berücksichtigt. Weiterhin beschränkt sich die Ausstellung auf Spielzeugfiguren und -fahrzeuge. Karten- und Brettspiele, Computerspiele und Modellbau werden nicht miteinbezogen.
Die eigentliche »Ausstellung« ist visuell konzipiert: Die virtuellen Vitrinen sind bestückt mit Abbildungen von Objekten und Dokumenten. Die Vitrinen widmen sich der frühen Bundesrepublik, den 1970/80er Jahren und der Friedensbewegung in der Bundesrepublik, dem Kriegsspielzeug in den DDR-Kindereinrichtungen und schließlich der Präsenz von Militär auf verschiedenen Ebenen der DDR-Gesellschaft und der Kritik daran.
Außerdem gibt es einen theoretischen Teil, in dem unsere Ausstellung in die Geschichte der beiden deutschen Staaten und deren Erziehungskonzeptionen eingebettet wird. Darüber hinaus enthält die Ausstellung mit ihrem Oral-History-Projekt einen interaktiven Teil. Hier können einerseits Beiträge von Zeitzeugen gelesen werden, andererseits sind alle Besucher eingeladen, ihre persönlichen (Nicht-)Erfahrungen mit Kriegsspielzeug einzubringen und somit die Ausstellung laufend zu vervollständigen...
War Kriegsspielzeug im 17. Jahrhundert noch Lehrmittel für Königssöhne, das dazu diente, die Thronfolger in ihren künftigen Aufgabenbereich als oberste Kriegsherrn und Befehlshaber einzuweisen, so hat sich bereits im 18. Jahrhundert Kriegsspielzeug zum Massenspielzeug entwickelt. Durch den Übergang von Söldnerheeren zu Nationalarmeen (zunächst in Frankreich) kann die Ausbreitung von Kriegsspielzeug in Zusammenhang gesehen werden mit der Notwendigkeit, breitere Schichten zur Zustimmung zu Kriegen zu bewegen, Zinnsoldaten, die in verbilligten Massenproduktionen hergestellt wurden, waren der vorherrschende Typus des Kriegsspielzeugs. Im 19. Jahrhundert gab es bereits Nachbildungen aller Armeen der Welt. Kriegsspielzeug wurde gezielt zum Geschichtsunterricht herangezogen und diente der ideologischen Festigung der Heranwachsenden.
Die historische Belehrung, die Information über aktuelles Weltgeschehen und die neuen Waffentechnologien, aber auch die Erziehung zu frühzeitigem Drill und Exerzier-Reglement standen dabei im Vordergrund.
Der Umgang mit Kriegsspielzeug war zunächst eine Erscheinung von adeligen und bürgerlichen Kreisen. Dies änderte sich jedoch spätestens in der Vorphase des 1. Weltkrieges. Kriegsspielzeug wurde in der Vergangenheit von den Erwachsenen immer als Einstimmung und Vorbereitung auf kriegerische Auseinandersetzung verstanden. "Wehrspielzeug ist Lehrspielzeug, das im Dienst der Wehrhaftmachung der deutschen Jugend steht, ebenso wie der Dienst in der HJ und die vormilitärische Ausbildung."
"Die Erziehung der Jugend kann deshalb nicht früh genug in diesen wehrhaften Geist einsetzen und spielend sollen die Jungen in ihre spätere Rolle als Soldat eingeführt werden."
Diese Zusammenhänge wurden, zumindest in der Vergangenheit, klar gesehen, was wohl auch mit bewirkte, daß nach dem 1. und 2. Weltkrieg Kriegsspielzeugimmer vom Spielwarenmarkt verschwand.
"Nach dem 1. Weltkrieg wurden verstärkt Schriften gegen Kriegsspielzeug verfaßt, und das Kriegsspielzeug verlor an Popularität, die Firmen stellten sich auf ziviles Spielzeug um."
Doch diese ablehnende Haltung hielt nie lange an. Sowohl in den 20er Jahren, als auch bereits 1950 wurde wieder Kriegsspielzeug produziert. Dies war auch der Anlaß, daß sich 1950 das Plenum des deutschen Bundestages zum 1. Mal mit dem Thema Kriegsspielzeug befaßte.
Mit nur wenigen Gegenstimmen wurde ein Antrag angenommen, der die Bundesregierung ersuchte, "Herstellung und Vertrieb von Kriegsspielzeug jeglicher Art in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern" und "bei der Alliierten Hohen Kommission darauf hinzuwirken, daß die Abgabe oder Überlassung von Kriegsspielzeug jeglicher Art durch Angehörige der Besatzungsmacht an deutsche Kinder in Zukunft unterbleibt."
Praktische Konsequenzen hatte diese Entschließung jedoch keine, da die Beratungen in den entsprechenden Ausschüssen zu keinem Ende kamen.
Zumindest zu diesem Zeitpunkt (1950) wurde auch im Parlament von einer negativen Wirkung von Kriegsspielzeug auf die Entwicklung der Kinder ausgegangen: "Zweifellos erzieht das Kriegsspielzeug zur Glorifizierung des Krieges und vor allem dazu, den Mord, die Tötung eines Menschen, wenn er als Gegner auftritt, leicht hinzunehmen..."
Nahm man bei dieser Debatte noch Auswirkungen auf politische Einstellungen an, so beschränken sich neuere Bundestagsanfragen und Antworten auf die pädagogisch/psychologische Dimension, etwa auf die Frage eines Zusammenhanges zwischen Kriminalität und dem Spiel mit Kriegsspielzeug.
Günther Gugel: Erziehung und Gewalt. Waldkirch 1983, S. 841. Geschichte, Käthe Kruse
Die - aus heutiger Sicht - gedankenlose Selbstverständlichkeit, mit der das "Kriegshandwerk" auf das Kinderspiel übertragen wurde, kommt in einem Brief von Käthe Kruse, die damals ihren Ruf als "Puppenkünstlerin" längst begründet hatte, zum Ausdruck, den sie anläßlich der Fertigstellung ihrer "Beweglichen Soldaten" schrieb: "... Mein Mann hatte mir gesagt, ich solle nun Soldaten machen. Das war natürlich, denn man denkt jetzt nur an Soldaten... Die ganze Phantasie ist ausgefüllt mit allem was unsere Soldaten tun, immer sieht man sie. Und wenn man Soldaten macht, dann müssen sie alles tun können, was die draußen tun. Das war klar. Alles mußte man damit machen können. Fein mußte es sich damit spielen lassen! Der Phantasie alle Möglichkeiten geboten werden, den Soldaten in jede Stellung zu bringen, die der vorschwebenden Situation entspricht. Genau entspricht..."
Gehören Panzer ins Kinderzimmer? Seit einigen Jahren steht Kriegsspielzeug bei Kindern und deren Eltern wieder hoch im Kurs. Experten sehen in der weiblichen Übermacht, die Jungs in ihrer Sozialisation oft erleben, eine Ursache für “Die Rückkehr des Kriegsspielzeugs“, berichtet 3SAT.DE. Virtuelle Killerspiele, Kampfhubschrauber oder Panzer ließen der Fantasie der Kinder Freiräume, ihre Alltagserlebnisse nachzustellen und verträgliche Lösungen zu finden, meinen die Befürworter von Kriegsspielzeug.
Günther Gugel, Pädagoge, mischt sich heute im Tagebuch in die Debatte ein. Er warnt vor einer Verharmlosung von Gewaltspielzeug, die seiner Meinung nach ein veraltetes Abbild von Männlichkeit, Macht und Geschichtsverständnis darstellen.
Die Spielzeugfirma Märklin baut jetzt auch Panzer. Früher schlugen pazifistische Rollkomandos Schaufensterscheiben ein, wenn Geschäfte Schlachten präsentierten. Das ist vorbei. Eine schleichende Remilitarisierung steht trotzdem nicht bevor.
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Märklin baut auch Panzer
Als man uns in den siebziger Jahren den Spaß am Kriegsspielzeug verdarb, waren wir leider noch zu klein, um so lautstark zu jammern. Und die Rhetorik des Lobbyismus war uns noch nicht so vertraut, dass wir auf die Idee gekommen wären, deshalb gleich den Untergang von Demokratie und Freiheit an die Wand zu malen.
Wenn jetzt der Spielzeug-Eisenbahn-Hersteller Märklin ankündigt, wieder Panzer in sein Sortiment aufzunehmen, dann erinnert das an einen großen Kulturkampf der Brandt-Schmidt-Epoche. Bis zu jener Zeit fand man in fast jeder deutschen Fußgängerzone mehrere Spielwarengeschäfte, deren Besitzer stolz ihre Schaufenster mit nachgestellten Schlachten dekorierten. Sie mussten nicht damit rechnen, dass ihnen pazifistische Rollkommandos die Scheiben einschlugen. Die Bandbreite reichte von Zinnsoldaten (damals schon ein eher abseitiger Rentner-Sammelgegenstand), die in die Schlacht von Leuthen zogen, bis hin zu Plastik-Rommel gegen Plastik-Montgomery im Wüstensand.
Neuere Kriege waren eher selten: Vietnam war auch bei Kindern nicht populär und Korea vergessen. Nicht mal den Sechs-Tage-Krieg konnte man im Kinderzimmer nachspielen. Sehr zu unserem Bedauern, denn Moshe Dajan mit seiner Augenklappe fanden wir cool - aber natürlich kannten wir dieses Wort noch nicht...
Foto: dpa
Das Modell eines Militär-Fahrzeugs der Bundeswehr (Spur 1 LKW 7T GL MIL) aus der neuen Produktlinie "4MFOR" (Metal Military Mission by Märklin) der durch Modelleisenbahnen bekannten Firma Märklin, steht am Samstag (03.02.2007) auf der Spielwarenmesse in Nürnberg (Mittelfranken). Die neue Produktlinie 4MFOR von Märklin umfasst verschiedene Bundeswehrfahrzeuge. Noch bis zum 6. Februar präsentieren sich auf der Nürnberger Spielwarenmesse rund 2760 Aussteller aus rund 60 Ländern. Foto: Daniel Karmann dpa/lby +++(c) dpa - Bildfunk+++